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Sie reichen bis zu zwölf Meter hoch und sind eigentlich nicht zu übersehen: die Wandmosaike im Kapellenkranz des Mariendoms. Trotzdem führten sie bislang ein Schattendasein. Nur wenigen war bis zur Vorstellung der Restaurierungsvorhaben im Frühling 2022 bewusst, welcher Schatz sich hier verbirgt.
Auch für LH a. D. Josef Pühringer, der als Vorsitzender des Beirats von „Pro Mariendom“ seit Jahren unermüdlich im Einsatz ist und Geld für die Restaurierung des größten Kirchengebäudes Österreichs auftreibt, offenbarte sich hier etwas Unbekanntes: „Ich war über die Glasmosaike erstaunt, weil ich sie nie beachtet habe. Das Große und Mächtige sieht man sofort, dass es viele kleine Schätze gibt, wird einem erst bei solchen Anlässen bewusst“, sagt er ganz offen.
„Unsere Aufgabe ist es, die Augen zu öffnen für die vielen kleinen Schätze, die es im Dom zu entdecken gibt“, fährt er fort. Sein größtes Anliegen ist, den Dom – die Landeskirche der Oberösterreicher/innen – zu den Menschen zu bringen. „Mit dem neuen Begegnungs- und Willkommensraum wollen wir anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums den Blick nach vorne richten und die Menschen mit dem Dom noch näher in Berührung bringen.“ (siehe Kirchenzeitung Nr. 48/2022).
Eine, die den Mosaiken in luftiger Höhe schon mehrmals sehr nahe gekommen ist, ist die akademische Restauratorin Susanne Beseler. Als Präsidentin der österreichischen Restaurator/innen und als zuständige Restauratorin für die Wandmosaike im Dom hat sie einen guten Überblick über das „Gesamtkunstwerk Mariendom“: „Eine Besonderheit ist, dass trotz der langen Bauzeit von 30 Jahren alles aufeinander Bezug nimmt. Es gibt ein geschlossenes Gesamtkonzept auf hohem Niveau.“
Die Üppigkeit, die brillanten Mosaike in dieser Fülle begeistern sie: „Ich kenne keine vergleichbare Ausstattung, weder in Oberösterreich noch in Österreich. Das ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal!“
Bei einem Lokalaugenschein demonstriert Beseler, was sich hinter der Schmutz- und Staubschicht verbirgt: leuchtende Mosaiksteinchen aus Glas, die es locker mit den Leuchtkraft der Glasfenster aufnehmen können. Damit diese Farben wieder sichtbar werden, wird ab Jänner 2023 mit den Restaurierungsarbeiten in der Kapelle „Königin der Frauen“ begonnen. Die Befunderhebung hat im Vorfeld gezeigt: Viele Bereiche sind in einem guten Zustand, aber stark verschmutzt. Zunächst wird von den Mosaiken die Staubauflage entfernt, dann erfolgt die Vorreinigng, danach werden die Mosaike abgeklebt und die Wandflächen gereinigt. Erst danach passiert die Feinreinigung.
Alles, was in der Kapelle „Königin der Frauen“ an Erfahrung und Wissen gesammelt wird, kann dann im ganzen Dom umgesetzt werden. Für die Restaurierung gelten die gleichen Maßstäbe wie für die Errichtung: Mosaike, Steinaltäre und Architekturoberflächen (Wand- und Deckenflächen) sind als Einheit zu sehen – und auch zu restaurieren.
„Die Altäre wachsen aus der Architektur heraus. Daher müssen alle Schritte aufeinander abgestimmt werden.“ Die Kapelle „Königin der Frauen“ wird damit zum Prototyp für die Restaurierung.
Die „Domfrauen“ (2018/19) sind vielen noch in guter Erinnerung. Bei den Projekten „Die Betrachterin“ und „Die Darstellerin“ wurden die Gemäldefenster auf die Rolle der Frauen im 19. Jahrhundert durchleuchtet und mit der Gegenwart in Beziehung gesetzt. Die künstlerischen Spuren dieser Projekte können im Dom erforscht werden, an einer Fortsetzung wird gearbeitet.
Die Broschüre „Licht.Schatten.Dasein“ der Katholischen Privatuniversität KU hat sich mit den Frauenbildern im Mariendom beschäftigt. Ein Beispiel ist das Mosaikblendfenster im westlichen Teil des Kapellenkranzes, das von den „Jungfrauen der Diözese Linz“ gewidmet und 1911 eingesetzt wurde. Es macht sozialhistorische und moralische Vorstellungen dieser Zeit deutlich. Weltgericht und junge Frauen sind darin verschmolzen. Verarbeitet wird das Gleichnis von den „klugen und törichten Jungfrauen“ (Matthäus 25,1–33).
Doris Kanzler schreibt dazu: „In feministischer Leseweise kann die Darstellung als eindringliche Mahnung an (junge) Frauen gelesen werden, dass ein Verstoß gegen Regelkonformität und gesellschaftliche Normen mit Ausschluss geahndet wird. Ins Bild gesetzt wird dieser mittels einer schweren verschlossenen Türe.“ Zur Gestaltung sagt Kanzler: „Das Bildwerk ist jedenfalls ein eindrucksvolles Beispiel für die im späten 19. Jahrhundert wieder zur Blüte gekommene Mosaikkunst.“ Und das mitten in Linz.
Teil 1: Alles ist Handarbeit: Blick in die Werkstatt
Teil 2: Zeit der Sehnsucht: Musik kann trösten
Teil 3: Verborgene Schätze aus Stein und Glas
Teil 4: "Ich suche einen Menschen"
Teil 5: Vom Geheimnis der Menschwerdung
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