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Serie ADVENT_IM DOM 4 von 5

"Ich suche einen Menschen"

KULTUR_LAND

Die Domkrippe erzählt Geschichten: von Menschen, von ihren Sehnsüchten 
und von der Bibel.

Ausgabe: 50/2022
13.12.2022
- Elisabeth Leitner
Die Adventszene in der Domkrippe ist reduziert auf die Zeit der Erwartung. Hirten und Schafe haben sich schon auf den Weg gemacht.
Die Adventszene in der Domkrippe ist reduziert auf die Zeit der Erwartung. Hirten und Schafe haben sich schon auf den Weg gemacht.
© kiz/elle

Der Philosoph Diogenes (4. Jahrhundert vor Christus) läuft mittags mit einer Laterne auf den Marktplatz und ruft: „Ich suche einen Menschen!“

 

In der Linzer Domkrippe steht in der Nähe der Besucher/innen auf der linken Seite eine Hirtenfigur: Sie hält eine Laterne in der linken Hand. Nur einige Hirten, Schafe, eine Frau mit Krug sind bereits in der von Dompfarrer Max Strasser gestalteten Adventszene versammelt.  

 

Strasser steht vor der Krippe: „Die Hirtenfigur erinnert mich an Diogenes, und auch Friedrich Nietzsche fällt mir dazu ein. In ‚Der tolle Mensch‘ läuft er am Vormittag mit der Laterne auf den Markt und ruft: ‚Ich suche Gott!‘“ 

 

Zeit der Erwartung 


Advent stellt für Max Strasser auch die Frage nach dem letzten und tiefsten Sinn des Lebens. In der Hirtenfigur mit der Laterne sei der Advent ebenso als Zeit der Sehnsucht nach wahrer Menschlichkeit artikuliert. Wenn man mit Dompfarrer Max Strasser vor der Krippe steht, beginnt die Krippe zu erzählen: Schauen und staunen ist das eine.

 

Das Einordnen der einzelnen Figuren in biblische und literarische Bezüge ist das andere – beides gelingt dem Dompfarrer mühelos. Denn bei näherer Betrachtung erzählt jede der Figuren eine biblische Geschichte. Die Domkrippe ist so etwas wie die „Biblia pauperum“ der Moderne. 

 

Biblische Bezüge


Der 14-zackige Stern, bekannt aus der Geburtsgrotte in Betlehem, holt die Vorfahren Jesu, die im Matthäusevangelium erwähnt werden, herein: Jesus ist ein Nachkomme Davids. Addiert man die Zahlen, die den Buchstaben des Namens entsprechen, erhält man die Zahl 14. Die Darstellung der Hirten, die ihre Schafe tragen, erinnert an die altorientalischen Könige, die früher „Hirten der Völker“ genannt wurden, auch Jesus ist als Sohn Davids ein Hirte.

 

Zu Weihnachten wird man eine Schüssel mit Feldfrüchten sehen, die auf das Erntedankfest verweist, das auch ein frommer Jude gefeiert hat – und eine Krippenfigur mit Hühnern wird dazukommen: „Da geht’s nicht um Hühner, sondern um die Bibelstellen bei Matthäus und Lukas, in denen es heißt: ‚Ich wollte euch sammeln, wie eine Henne die Küken sammelt.‘“ 

 

Dompfarrer Max Strasser und der Hirte mit der Laterne
Dompfarrer Max Strasser und der Hirte mit der Laterne
Der 14-zackige Stern erinnert an die Geburtsgrotte.
Der 14-zackige Stern erinnert an die Geburtsgrotte.
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Glaubensbekenntnis


Das ganze Glaubensbekenntnis wird in der Domkrippe abgebildet: Drei Engel mit Kreuz, Dornenkrone und Kelch schweben über der Krippe, die Gloriole – der Strahlenkranz – weist auf die Auferstehung hin. Darunter liegt (erst) am Heiligen Abend das Kind in der Krippe.

 

Die Leistung des Krippenkünstlers Sebastian Osterrieder kann nicht hoch genug geschätzt werden: Die künstlerische Idee, die biblischen Bezüge und die an orientalischer Lebenswirklichkeit orientierte Ausführung der Figuren und Szenen sind einmalig. Mit zwölf Metern Länge zählt die Domkrippe zu den größten weltweit. 

 

Krippen Bauen


Krippen begleiten den Dompfarrer schon ein Leben lang. Bereits als Kind hat Strasser mit seinem Vater und seinen Geschwistern im Advent Krippen gebastelt. Krippenbauen können Kinder auch im Dom. Bereits zu Beginn des Kulturhauptstadtjahrs 2008/09 gab es die Einladung, Krippen zu gestalten, wie sich Strasser erinnert. Die Krippenfreunde haben heuer in der Turmkapelle ihre Krippenwerkstatt eröffnet.

 

Der „Advent am Dom“ lockt viele Menschen in die Kirche: „Die Besucher/innen kommen und suchen nach der Krippe. Die Krippe und der Advent am Dom passen gut zusammen“, findet er.  Und vielleicht blitzt in einer stillen Minute die Frage auf, die Strasser für die stärkste Botschaft des Advents hält: „Was erwarten wir in und von unserem Leben?“ 

 

Advent _ Weg durch die Nacht

 

Der Hirte geht etwas gebeugt durch die Nacht. 
Das Ziel seines Weges scheint er zu kennen. 
Die Laterne gibt ihm eine gewisse Sicherheit. 
Advent – Weg duch die Nacht, durch Krisen des Lebens. 
Das Evangelium ermutigt zu vertrauen. 

 

Der „tolle Mensch“ (F. Nietzsche) läuft am hellen Vormittag
mit der Laterne auf den Markt und ruft: 
„Ich suche Gott! Ich suche Gott!“

 

Advent – Sehnsucht nach dem letzten und tiefsten Sinn des Lebens. 
Johannes der Täufer ruft auf, 
sich für diese Sehnsucht zu öffnen. 


Vor 2400 Jahren in Athen:  Diogenes läuft am Mittag mit einer Laterne auf den Marktplatz und ruft: 
„Ich suche einen Menschen!“

 

Advent – Sehnsucht nach wahrer Menschlichkeit. 
Das Evangelium weist hin auf Zeichen, 
dass das Leben gut wird.

 

Das Ziel des Weges durch die Nacht: 
die Erfüllung der zweifachen Sehnsucht – in Jesus. 

 

Ungebedingte Liebe wird als tiefster Sinn des Lebens erfahren. 
Befreiung von Unmenschlichkeit ermöglicht wahres Menschsein. 
In Jesus begegnet Gott auf Augenhöhe, daher ganz menschlich.      

 

Dompfarrer Max Strasser

 

Serie ADVENT_IM DOM 

Teil 1: Alles ist Handarbeit: Blick in die Werkstatt 

Teil 2: Zeit der Sehnsucht: Musik kann trösten

Teil 3: Verborgene Schätze aus Stein und Glas

Teil 4: "Ich suche einen Menschen"

Teil 5: Vom Geheimnis der Menschwerdung

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