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Manchmal gibt es Entscheidungen im Leben, die nicht leicht zu fällen sind. Man schwankt zwischen zwei Möglichkeiten und weiß nicht, welchen Weg man gehen soll. Michael König stellte sich die Frage: ins Kloster gehen oder doch eine Familie gründen?
Fast zehn Jahre lang kreisten diese Gedanken in ihm. Um sie nicht noch länger nur im Kopf durchzuspielen, wusste der gebürtige Steyrer, der aus Behamberg in Niederösterreich stammt, dass er einen aktiven Schritt tun muss. Er wollte ausprobieren, ob ein Leben als Ordensmann seine Berufung ist. „Ich war damals 27 und dachte mir, bis 30 möchte ich das abgeschlossen haben, um zu wissen, was ich will und um meinem Leben eine konkrete Richtung zu geben. Also habe ich mich entschlossen, neun Monate im Kloster mitzuleben; denn mir war damals klar, dass ich für meine Entscheidungsfindung länger Zeit brauche“, sagt der heute 30-Jährige. Auf der Suche nach dem für ihn geeigneten Orden entschied sich Michael König für die Benediktiner, die er durch Schweigeexerzitien im Haus Subiaco in Kremsmünster bei Pater Bernhard Eckersdorfer kennenlernte. Während seines Aufenthalts dort besuchte er auch jeweils drei Tage die Franziskaner, die Karmeliten und die Johannesbrüder, um in deren Spiritualität kurz einzutauchen.
„Bete und arbeite und lies“ – hinter den Grundsatzregeln des heiligen Benedikt steckt für Michael König eine große Weisheit. „Natürlich sind sie knapp 1500 Jahre alt und man übersetzt sie nicht eins zu eins ins Heute; aber diese Grundbalance, dieser Dreiklang des gemeinsamen Gebets, des Arbeitens und der geistigen Auseinandersetzung mittels Lesung, Studium und Meditation geben sehr gute Anstöße im Hinblick auf den Wert des Lebens und wie viel Zeit ich wofür aufwende. Das hat mich sehr angesprochen. Es ist eine wunderbare Alternative zu unserer heutigen leistungsorientierten Welt, in der man immer getrieben ist, sich selbst zu optimieren.“
Also machte sich Michael König am 18. September 2016 auf den Weg. Für seine neunmonatige Auszeit hat der Diplomkrankenpfleger des Roten Kreuzes unbezahlten Urlaub bekommen. „Dass mir das ermöglicht wurde, war für mich ein großes Geschenk.“ Nun begann ein Zurückziehen von der Außenwelt und gleichzeitig ein Aufmachen für Gott. Michael König glaubte und hoffte, dass er durch das Einlassen auf seinen persönlichen Reifungsprozess und auf ein betendes Hinhören zu einer Klarheit kommt.
Von Anfang an war der junge Mann in den Ablauf des Ordenslebens der Benediktiner direkt eingebunden und wohnte in der Klausur – Tür an Tür mit den Mönchen. Der Tag begann um sechs Uhr Früh mit dem liturgischen Morgengebet. Eine halbe Stunde später wurde in der Kapelle die heilige Messe gefeiert. Von 6:30 bis neun Uhr war Frühstückszeit. Der Vormittag und der Nachmittag wurden abwechselnd genutzt, um entweder in der Gärtnerei zu arbeiten oder sich dem persönlichen Studium zu widmen und Texte zu lesen. Um 18 Uhr ging es zur Vesper in die Kapelle und eine halbe Stunde später wurde gemeinsam mit den Mönchen zu Abend gegessen. Es folgten um 19 Uhr Vigil und Komplet, die Nachtgebete vor dem Schlafengehen.
Ab 20 Uhr hat Michael König versucht, die Abende schweigend zu verbringen. „Das war für mich sehr wertvoll, aber auch herausfordernd.“ Er habe in den neun Monaten bewusst die Verbindung nach außen gedrosselt – keine Mails, keine WhatsApp-Nachrichten. Alle zwei Wochen gab es Telefonate mit der Familie, einmal im Monat fuhr er nach Hause. Zu seinem Geburtstag bekam er Besuch von seinen Eltern. Andere Kontakte hat er auf seinen engeren Freundeskreis minimiert und nur sehr sporadisch gepflegt, „um wirklich in die Stille zu gehen. Das hat mich schon gefordert.“ An lauen, schönen Sommerabenden war der Blick vom Stift hinunter auf den Ort manchmal mit melancholischen Gedanken verbunden: Jetzt mit den Freunden zusammensitzen, sich unterhalten und grillen wäre super. „Aber ich sagte mir, diese neun Monate im Kloster habe ich für mich bewusst reserviert, um eine Entscheidung zu treffen. Und das ist gut so.“
Anfangs hatte Michael König natürlich auch seine Zweifel, ob er nach dieser Zeit wirklich weiß, was er will. „Ich war nicht gleich von Beginn an komplett befreit. Es kamen schon einige unangenehme Dinge hoch. Ich tappte zunächst lange im Dunkeln, habe sehr viel überlegt und abgewägt, Pro- und Contra-Listen geschrieben und mich auch intellektuell damit auseinandergesetzt, ob das Leben als Ordensmann etwas für mich sein kann.“ Das Schweigen war dabei sehr hilfreich. „In der Stille kommt etwas ins Laufen, man dringt zu den tieferen Schichten in sich selber vor und wird offen für Gott. Dieses glaubende Hören, dass Gott da ist und mit einem spricht, war für mich eine Art Liebesatmosphäre. Wenn man sich in der Gegenwart Gottes mit sich selbst auseinandersetzt, kann das fruchtbar werden und es trägt einen, wenn Schwieriges hochkommt. Das habe ich als besonders bereichernd erfahren.“
Sechs Monate lang hat es gedauert, bis Michael König innere Klarheit hatte und wusste, wie er sich entscheidet. „Bis dahin bin ich noch in die eine wie in die andere Richtung geschwankt und habe immer wieder reflektiert, wo ich stehe. Es braucht Zeit, damit sich etwas wandelt und ich bin froh, dass ich mich darauf eingelassen habe.“ Es kristallisierte sich für ihn heraus, dass die Zeit im Stift zwar eine sehr wertvolle war, die ihm viel Kraft gegeben hat, es aber nicht seine Berufung ist, sein ganzes Leben im Kloster zu verbringen. „Von einem Moment auf den anderen spürte ich plötzlich einen inneren Frieden. Die Unruhe, die ich vorher in mir hatte und dieses ständige Hin- und Hergerissensein zwischen Ehe und Familie oder Ordensleben, hat sich gelöst.“
Rückblickend hat dieses freiwillige Ordensjahr das Leben von Michael König absolut positiv verändert. „Während dieser Zeit habe ich nicht nur intensiv die Gebetspraxis der Benediktiner studiert und mich generell mit dem Glauben befasst, sondern ich habe mich auch selber besser kennengelernt und stehe seither auf anderen Beinen. Von den Erfahrungen, die ich machen durfte, zehre ich heute noch.“ Nach seiner Auszeit im Kloster kam dann die Liebe in sein Leben. Vor drei Monaten feierte Michael König mit seiner Braut Elisabeth Hochzeit.
ist Diplomkrankenpfleger und arbeitet in der mobilen Hauskrankenpflege des Roten Kreuzes im Bezirk Rohrbach in Oberösterreich. Der gebürtige Steyrer, der aus Behamberg in Niederösterreich stammt, verbrachte von 2016 auf 2017 ein freiwilliges Ordensjahr bei den Benediktinern im Stift Kremsmünster.
Freiwilliges Ordensjahr
Seit drei Jahren bieten die österreichischen Klöster und Stifte das freiwillige Ordensjahr an. Die Idee habe sich in der Praxis bewährt, „sowohl die Gemeinschaften als auch die Mitlebenden profitieren enorm“, sagt die verantwortliche Koordinatorin Sr. Ruth Pucher, Angehörige der Missionarinnen Christi. Derzeit nehmen 24 Frauen- und 13 Männerorden aus ganz Österreich Interessierte am klösterlichen Leben in ihre Gemeinschaften auf. Die Rahmenbedingungen können ganz individuell mit den jeweiligen Konventen vereinbart werden, betont Pucher. Die Teilnehmer können wie gewohnt ihren täglichen Beschäftigungen nachgehen oder im Kloster mitarbeiten – und dabei die jeweilige Spiritualität erleben. Nach Angaben von Sr. Pucher wagen zwischen neun und elf Interessierten jährlich den zeitweisen Umzug in ein Kloster, darunter mehr Frauen als Männer.
www.ordensjahr.at
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