KOMMENTAR_
Wir begehen ein Doppeljubiläum. Du zeichnest seit 40 Jahren für die KirchenZeitung, seit 25 Jahren in der Rubrik „Zeit im Bild“ auf der letzten Seite. Wann hast du die ersten Weichen gestellt, um heute gefeierter Zeichner der KirchenZeitung zu sein?
Jesner: Losgegangen ist es in meiner HTL-Zeit in Salzburg, da habe ich für ein paar Schilling Porträts von den Schulkollegen gezeichnet und mir um das Geld Essen gekauft, weil die Mahlzeiten in unserem katholischen Schülerwohnheim nicht recht besonders waren.
Dann habe ich einmal für die Salzburger Nachrichten eine Leserbrief-Karikatur zum Vietnamkrieg eingeschickt, die veröffentlicht wurde. Das hat mir einen großen Schub gegeben. Vor allem auch, weil diese Karikatur ein Linzer Grafiker gesehen hat und mir daraufhin angeboten hat, während des Studiums einen Tag pro Woche bei ihm zu arbeiten. Parallel habe ich bald begonnen, für die Unizeitung zu zeichnen. So bin ich in das Ganze reingewachsen.
Wenn du vom katholischen Schülerwohnheim erzählst: Wie bist du eigentlich mit der Kirche groß geworden?
Jesner: Ich bin im Lungau in einem 1000-Seelen-Ort aufgewachsen. Der Pfarrer war unser Nachbar. Meine beiden älteren Brüder waren Ministranten und ich hätte auch Ministrant werden sollen. Ich habe verweigert. Ich habe zum Pfarrer gesagt, ich müsse nicht ministrieren, weil das eh schon meine Brüder machen, und dass das meine Eltern auch so sehen. Die haben sich dann vom Pfarrer was anhören können. Kurioserweise war ich es dann von uns Brüdern, der ins katholische Internat nach Salzburg gekommen ist.
Dem kirchlichen Milieu bist du eben auch beruflich verbunden geblieben, 1981 bist du bei der KirchenZeitung gelandet. Wie erinnerst du dich an diese Anfänge?
Jesner: Ernst Gansinger, den ich von der Uni her kannte und der Anfang der Achtziger bei der KirchenZeitung als Redakteur angefing, hat mich quasi mitgenommen. Das war damals eine richtige Aufbruchsstimmung, in der vieles möglich wurde. Anfangs habe ich Schwarz-Weiß-Karikaturen vor allem zu politischen Themen gemacht.
Dazu dazwischen eine Verständnisfrage: Du zeichnest Karikaturen und Cartoons. Worin liegt der Unterschied?
Jesner: Cartoon ist weiter gefasst, das ist ein lustiger Bilderwitz. Die Karikatur ist eher politisch.
Das Politische spielt bei dir nicht mehr die Rolle, wie es in den Anfangsjahrzehnten noch der Fall war. Woran liegt das?
Jesner: Mich interessiert das Politische immer weniger, das wiederholt sich einfach zu stark. Nach jeder Wahl gewinnt einer und es läuft dasselbe ab. Außerdem ist es so: Wenn ich die Roten aufs Korn nehme, schreien die einen auf, bei den Schwarzen die anderen.
Wobei es die größte Aufregung um eine politische Karikatur gab, als du im Jahr 2000 die damalige blaue Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer als Schlange gezeichnet hast.
Jesner: Ja, da bin ich sogar persönlich bedroht worden von ein paar Ewiggestrigen aus dem rechten Lager. Diese Eskalation war die Ausnahme, aber generell muss ich zum Thema Aufregung sagen: Ich habe mir immer gedacht, dass Karikatur alles darf und die Leser das als lustige Ecke sehen. Ein paar Leute nehmen Zeichnungen jedoch bierernst, dabei ist es einfach Unterhaltung.
Ist das überhaupt eine Entwicklung in der gesamten Gesellschaft, dass die Empfindlichkeiten mehr werden?
Jesner: Alle haben eine festgelegte Position, aber der richtige Meinungsaustausch geht heute ab. Früher konnte man stundenlang diskutieren mit Menschen, mit denen man nicht einer Meinung war, und hatte trotzdem gemeinsam eine Gaudi.
Was ist deine Inspiration für deine Zeichnungen?
Jesner: Mich interessiert der menschliche Aspekt: Wie reagiert der Normalsterbliche auf das Leben, das er bestehen muss. Er bemüht sich, aber da kommt er oft in schwierige Situationen. Wenn dann etwas schiefgeht und man es überzeichnet, wird es lustig und man kann darüber lachen.
Im Scheitern liegt also die Komik?
Jesner: Richtig. Ein Beispiel ist für mich meine Zeichnung, bei der eine Familie auf einem schmalen Bergsteig unterwegs ist und ein riesiger Steinbock entgegenkommt. Das ist natürlich eine Katastrophe. Und der Vater dreht sich um und sagt: „Die gute Nachricht ist, es ist keine Kuhherde.“ Diese Art von Witz taugt mir.
Was ist deine bevorzugte Zeit, wann arbeitest du an den Cartoons?
Jesner: Das spielt sich bei mir am Wochenende ab, weil ich am Wochenanfang liefern muss und ich habe gerne die Gags schon vorher. Im Grunde zeichne ich zehn Situationen für ein Thema. Irgendwann passiert es und ich weiß, man könnte es so machen. Dieser Witz kommt wie ein Blitz. Bis dahin ist es eine beinharte Arbeit, das fließt nicht einfach daher. Den Cartoon fertig zu zeichnen geht dann in Relation schnell.
Ein wiederkehrendes Thema ist in deinen Zeichnungen auch der Klimaschutz. Der liegt dir offenbar persönlich am Herzen?
Jesner: Ich gebe einfach meinen bescheidenen Senf dazu. Das wird uns noch viel mehr erwischen wie Corona, das wird das Zukunftsthema schlechthin.
Ist es dein Anspruch, auch mit solchen Karikatur-Themen gar die Welt zu verbessern?
Jesner: Mit Karikaturen geht das sicher nicht. Das ist Unterhaltung und man sollte es nicht überschätzen. Was mir aber im Übrigen neben den ganzen inhaltlichen Aspekten schon sehr wichtig ist: Cartoons und Karikaturen sind eine Kunstform. Das Ganze ist mehr als Männchen malen, es ist ein künstlerisches Produkt. Dass die Zeichnung einfach schön ist, ist mir auch jedes Mal ein Anliegen. »
Zum Jubiläum von Lois Jesner siehe auch das Unter Uns: Der Wert der Karikaturen
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