BRIEF_KASTEN
Man soll keine versteckte Werbung machen. Also nenne ich ihn Nutilla – jenen nach Schokolade aussehenden Aufstrich, den sich einige Kollegen im Internat aufs Pausenbrot schmierten. Auch wenn es gar nicht Schokolade, sondern Haselnuss war – in meinem Kopf ging das nicht als genießbar durch.
Da saß ich gut 50 Jahre später mit einer sehr bekannten Persönlichkeit am Frühstückstisch. Ich hätte es diesem „gestandenen Mannsbild“ nicht zugetraut: Erwartungsfroh strich der Herr aus dem bereitstehenden Glas Nutilla auf sein Brot.
Ich teilte ihm mein Erstaunen mit, es wäre doch auch anderes da. Ein himmlischer Genuss sei das für ihn, schwärmte er mir vor, seit klein auf schon. Der Genießer war übrigens Bischof. Und dann versuchte er mich mit allen Mitteln zu einer Kostprobe zu überreden. Es fiel mir nicht schwer, standhaft zu bleiben. Nutilla auf Brot – in meinem Kopf passte das eben nicht zusammen.
Immer, wenn ich seither ein Glas Nutilla sehe, fällt mir die Begegnung ein. Ob mir, wenn ich es nur probierte, Nutilla auf Brot doch schmecken könnte? Aber gerade deshalb habe ich nun meinen Vorsatz gefestigt, auf Nutilla zu verzichten – für immer.
So soll mich der Aufstrich daran erinnern, dass es auf der Welt möglicherweise – vermutlich sogar – viel mehr Gutes gibt, als in meinen Kopf gehen will. Gute Menschen. Gute Ideen. Gute Geschichten. Und halt auch Nutilla. Wenn es wirklich so himmlisch schmeckt, werde ich es schon zu kosten kriegen – aber erst zu gegebener Zeit.
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