BRIEF_KASTEN
Ich habe sie mir damals geleistet: eine elektrische Schreibmaschine. Gelb war sie und im dazugehörigen Koffer leicht zu transportieren. Seit Jahrzehnten steht sie am Dachboden. Daheim haben wir auch noch eine alte mechanische Schreibmaschine. Sie ist sehr schön gearbeitet. An den beiden Geräten sieht man, was Fortschritt ist. Die Schreibmaschinen wurden immer raffinierter, im Detail allerdings weniger schön – und schließlich: überflüssig. Computer und Drucker haben die alte Schreibtechnik überholt.
Vom Primitiven zum Besseren. Das, sagt man, sei Fortschritt. Er bedeutet: Praktischer. Schneller. Leichter. Vor allem: günstiger herzustellen. Warum allerdings, wenn doch alles immer nur besser wird, die Müllmengen immer noch wachsen und so viel wie nie zuvor entsorgt wird, ist eine der Widersprüchlichkeiten unserer Zeit.
Da gibt es dann aber noch diesen anderen, vielleicht sogar wichtigeren Fortschritt. Er betrifft nicht die Dinge, sondern die geistig-moralische Verfassung unserer Zeit. Ob es also auch im Menschlichen den Weg zum Besseren gibt – vor allem, ob er auch gegangen wird? Erleben wir nicht eher einen Rückfall ins Primitive?
In den politischen Umgangsformen; im neuen Wettrüsten; in der Brutalität heutiger Konflikte; in der Bedenkenlosigkeit der Natur gegenüber; im Gebrauch und Akzeptieren der Lüge als politisches Mittel; in der materialistischen Grundausrichtung; in der Gott-vergessenheit ...
Ist vielleicht bloß die Zeit fortgeschritten, nicht aber der Mensch in ihr?
BRIEF_KASTEN
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