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Ihr steht schon lange auf der Bühne und feiert 2026 euer Jubiläum 20 Jahre Kirchenkabarett. Ist euch das Katholischsein noch nicht vergangen?
Günther Lainer: Ich habe viele Kolleg:innen, die Kirche verteufeln, aber die wollen immer diskutieren mit mir. Es gibt noch Gesprächsbedarf!
Was uns betrifft: „Z’fleiß“ treten wir nicht aus, das würde manchen so passen. Wir wollen das Christentum nicht den Faschisten oder den Patrioten überlassen. – Was ist die Alternative? Was Besseres als die Liebe ist noch nicht erfunden worden. Ich lasse mir den Jesus nicht nehmen und auch nicht die Caritas. Die Welt würde ärmer aussehen ohne sie.
Ernst Aigner: Beim Schreiben des Liedes „Z´fleiß katholisch!“ für das neue Programm habe ich einen Gedanken des Schriftstellers Cornelius Hell übernommen. Er sagt, er sei immer noch in der Kirche: „Ihr zum Trotz und mir zum Trotz.“ Wir wollen das Urteil über die Kirche nicht denen überlassen, die austreten.
Das heißt, ihr könnt der katholischen Kirche noch sehr viel abgewinnen trotz aller Fehler und Mängel?
Lainer: Ich möchte da schon erwähnen, was die Kirche für uns alle gemacht hat und immer noch tut: Hier kann man Gemeinschaft erleben zum Beispiel bei der Jungschar. Und du brauchst nix zahlen. Und jede:r darf kommen. Wo gibt´s das noch?
Ich finde, die Kirche verkauft sich schlecht. An den Knackpunkten des Lebens wie Taufe, Hochzeiten und Begräbnissen ist die Kirche stark, hat sehr schöne Rituale und wunderschöne Räume anzubieten. Glaube kann dich stärken, kann dir Hoffnung geben, aber du musst halt dran glauben!
Aigner: Die Kirche hat eine lange, große Tradition und wenn man tiefer gräbt, kann man viele Schätze entdecken. Aber die Antworten sind nicht immer einfach, sie fordern dich heraus.
Die Kirche schleppt aber auch ihre Fehler mit, und das auch schon wahnsinnig lange. Ich denke da zum Beispiel an die Gleichstellung der Frau oder die Sexualmoral.
Ihr habt vorher erwähnt, dass ihr die Kirche nicht den Faschisten und Patrioten überlassen wollt. Was meint ihr da genau?
Aigner: Es ist ein Wahnsinn, was sich gerade in den USA abspielt. Wenn der ermordete Charlie Kirk, der für Trump und seine autokratische Politik massiv Stimmung gemacht hat, von einem Kardinal mit Paulus verglichen und zum Märtyrer hochstilisiert wird, dann geht das für mich in die völlig falsche Richtung (Anmerkung: gemeint ist Kardinal Timothy Dolan). Oder wenn man in die Vergangenheit schaut, wie blind die katholische Kirche beim Aufkommen der Nazis war und die Gefahr immer nur links gesehen hat ... Das darf sich nicht wiederholen!
Lainer: In die Gegenwart gesprochen: Wenn das Wort Gutmensch ein Schimpfwort ist, dann muss man sich als Gesellschaft schon fragen, was da los ist: Wenn man heute von Empathie und Solidarität spricht, ist man schon ein Linker. Hallo, was ist so schlecht daran?
Ein Blick auf die Bühne: Ihr greift das auch in eurem Kabarettprogramm auf ...
Lainer: Ja, es ist so, dass im „Amt für patriotisches Christentum“, kurz APC, ein Anruf bzgl. einer Herbergssuche behandelt wird. Herbergssuche, das geht natürlich gar nicht in der heutigen Zeit. Wenn jemand bei uns anklopft, dann ist das wahrscheinlich ein Linker, ein Grüner, ein Feminist ... Das ist ganz gefährlich. Da kann das Amt für patriotisches Christentum nicht früh genug davor warnen! – Viele dieser heiklen Themen behandeln wir auch in Liedform, denn wir beide singen recht schön zusammen (lacht).
Radikalisierung gibt es analog und wird auch im Internet und auf den Social-Media-Kanälen vorangetrieben. Inwiefern fließt das in euer Programm ein?
Aigner: Viele leben im Internet geradezu in ihrer Echokammer und manche basteln sich dort ihre eigene Youtube-Religion. Im Supermarkt der Weltanschauungen hole ich mir, was ich brauche und mir gerade reinpasst. Unterschätzt wird dabei, wie wichtig real erlebte Gemeinschaft ist.
Lainer: Jeder Mensch ist wertvoll und Ebenbild Gottes. Die Menschlichkeit wird noch mit etwas Positivem in Verbindung gebracht. Da, wo es menschelt, sind Menschen am Werk, die auch Fehler machen, die Scheitern, das bringt uns weiter. Aus dem Scheitern kann man die besten Geschichten machen.
Aigner: Ja, das haben wir der künstlichen Intelligenz voraus!
Die Digitalisierung ist eng mit der Individualisierung verbunden. Alle sind ihres Glückes Schmied, große Institutionen verlieren an Bedeutung. Wie erlebt ihr das?
Aigner: Ich finde es dramatisch, wie die gewachsenen Institutionen zurückgehen – das gilt für die Gewerkschaft, die traditionellen Parteien, aber auch die Kirche. Für mich ist das neue Programm auch ein sentimentaler Abschied von einer Kirche meiner Kindheit und Jugend, die es so nicht mehr gibt. Trotzdem: Die Kirche ist ein schlafender Riese, man muss sie aufwecken. Die Kirche gehört uns!
Lainer: Jetzt betone ich es immer wieder, dass ich noch dabei bin, auch wenn es nicht cool ist. Ich glaube, das Spannende ist, dass wir miteinander reden, Meinungen austauschen. Wichtig wäre, nicht alles zu verurteilen und nicht immer alles zu bewerten. Und mir hilft, das alles mit Humor zu sehen. Das Sakrament Humor braucht man in der Kirche und in der Gesellschaft.
Kann uns die Liebe retten?
Lainer: Das Bewusstsein, dass wir alle zusammengehören, ist entscheidend. Egal, ob man das jetzt Nächstenliebe, Solidarität oder Empathie nennt. Diese Erfahrung gibt es überall, das ist das seelische Grundwasser für unser Zusammenleben. Die Liebe wird die Welt retten!
Mit dem Programm „Einvernehmlich verschieden“ und weiteren Nummern aus ihrem Kirchenkabarett sind Ernst Aigner und Günther Lainer im Pfarrsaal Christköng in Linz zu Gast, auch eine Kostprobe aus dem neuen Programm „z’fleiß katholisch“ wird es geben.
Die beiden gestalten am 22. Oktober um 19 Uhr den zweiten Teil unseres Jubiläums „80 Jahre Kirchenzeitung“. Bei freiem Eintritt können Sie mit dem Team der Kirchenzeitung einen kurzweiligen Abend genießen und nach dem Kabarett miteinander ins Gespräch kommen.
Bitte um Anmeldung!
Kontakt: Tel. 0732 76 10-3944 bzw. www.kirchenzeitung.at/kabarett
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