KOMMENTAR_
Der Mai geht seinem Ende zu – und da kommt einer daherspaziert, der hat noch den Wintermantel an. Er hat wohl ganz übersehen, wie die Zeit dahingeschritten ist. Da wird er wohl heut gehörig in Schwitzen kommen.
In unseren Schränken haben wir gewöhnlich die Garderobe für den Sommer und jene für den Winter – und dann noch die Sachen für die Übergangszeiten: etwas für sonnige Tage und auch für Regen. Zur Sicherheit hat man auch noch den Schirm. Beim Anziehen muss man flexibel sein – sonst gerät man ins Schwitzen oder ins Zittern. Je nachdem.
Es täte wohl gut, auch hinsichtlich seiner „geistigen“ Kleidung sich manchmal zu fragen, ob man denn den gegebenen Verhältnissen entsprechend gekleidet ist. Es ist schon erstaunlich, wie Menschen oft ihr ganzes Leben mit jener einzigen Ausstattung auszukommen versuchen, die sie von klein auf tragen: ihre politischen Einstellungen – unverrückbar. Ihre Haltung Fremden gegenüber – was haben sie hier zu suchen? Ihre Gewohnheiten beim Essen – was ich nicht kenne, rühre ich nicht an. Für sie bietet das Leben keinen neuen „Lernstoff“, der sie motivieren könnte, Dinge anders zu sehen und sich neu zu verhalten. Sie behalten ihren Gesinnungsmantel an und beschuldigen alle Welt, sie sei an ihrem Unwohlsein schuld.
Ob nicht manchmal mehr Milde möglich wäre? Ob man heute den Mantel der Strenge nicht daheimlassen könnte? Ob sogar ein Sonnenbad der Gelassenheit möglich wäre? Man würde nicht gar so oft ins Schwitzen kommen, wenn man ein wenig besser auf die Umstände achten würde.
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