KOMMENTAR_
Kleidungsvorschriften an mehreren Schulen ließen im Sommer die Wogen hochgehen. In Österreich wird wieder diskutiert, was Schüler:innen tragen dürfen.
Warme Tage, viel Sonnenschein und knappe Kleidung: Damit ist bald überall Schluss, bis zum nächsten Frühjahr eben. Geht es nach dem Willen mancher Schuldirektor:innen, sollen allzu kurze Hosen und bauchfreie Tops aber in ihren Häusern am besten nie wieder zu sehen sein.
Ihre Kleidungsvorschriften sind leicht unterschiedlich, haben aber gemeinsam, dass sie überwiegend Mädchen betreffen (zu kurze Hosen bei Burschen werden kaum bemängelt) und stets mit guten Absichten begründet werden.
Das erste beliebte Argument: Burschen und Lehrer sollen vor nackter Haut geschützt werden. Vermittelt wird damit, dass Mädchen und Frauen mit knapper Kleidung zu aufreizend seien und zumindest indirekt Verantwortung tragen, wenn sie von Schulkollegen belästigt werden. Die Botschaft ist, dass Mädchenkörper versteckt werden müssen, damit ihnen nichts passiert.
Diese Haltung ist nicht nur Mädchen gegenüber sexistisch. Es ist auch nicht fair, wenn man davon ausgeht, dass sich Burschen nicht unter Kontrolle haben können. Oder man ihnen ein angemessenes Verhalten nur mit Verboten näherbringen kann.
Ein anderes Argument für Kleidungsvorschriften lautet, dass Jugendliche ihrer Schule gegenüber Respekt zeigen müssen. Nach dieser Begründung sind dann nicht nur Miniröcke, sondern oft auch Jogginghosen in Schulen tabu. Dabei wird übersehen, dass die Schulen für Jugendliche ein Lebensraum sein sollen, wo sie sich wohlfühlen können und wo sie sich ausprobieren können. Obendrein ist überhaupt fraglich, ob man Respekt an der Kleidung festmachen sollte.
Was jedenfalls gar nicht geht, sind von oben herab verordnete Vorschriften, die ohne Einbeziehung der Schüler:innen passieren. Wobei diese Vorgehensweise tatsächlich etwas mit Respekt zu tun hat, nämlich mit mangelndem gegenüber den Jugendlichen.
Paul Stütz
Kürzlich im Konzerthaus: Ein Mittvierziger betritt im Ruderleiberl und in kurzer Hose den Konzertsaal. Fehlt noch, dass die Sitznachbarin mit Flip-Flops hereinspaziert. Sie kommt in Turnschuhen und einem luftigen Sommerkleid, das eher zur Strandbar passt als in diese Hallen. Ich finde diese Kleidung unpassend, ja respektlos.
Wir alle präsentieren uns täglich unseren Mitmenschen, so wie wir sind oder sein wollen: lässig, elegant, pragmatisch, alternativ, seriös oder gar verführerisch? Die meisten orientieren sich dabei daran, wo und wann sie auftreten: Gehe ich in die Arbeit? Treffe ich mich abends mit Freund:innen zum Essen? Besuche ich ein Konzert oder steht der sonntägliche Kirchgang an?
Menschen tragen Funktions- oder Berufskleidung. An ihrem Gewand wird deutlich, wo sie im Einsatz sind. Egal, ob als Voestler, Kassier oder Ärztin im Krankenhaus. Kleider machen Leute: Sie sagt etwas aus über den gesellschaftlichen Status, den ich habe oder haben möchte – und damit soll es auch wieder gut sein.
Der immense Fokus, der heute auf Kleidung, Mode und Styling liegt, macht mir Sorge. Die Modeindustrie produziert tonnenweise Kleidung und will diese auch verkaufen. Um sie an den Mann und an die Frau zu bringen, werden fragwürdige Role-Models und Influencer:innen bemüht, die oft spärlich bekleidet in sozialen Medien und sonstwo für ihre (meist billigen) Produkte werben.
Besonders das weibliche Geschlecht wird hier gerne auf das äußere Erscheinungsbild reduziert und als Objekt instrumentalisiert. Wie sexy muss ich sein, um wer zu sein? Wo wird das heute thematisiert?
Die Schule könnte ein Ort sein, der einen geschützten Rahmen und Raum bietet – für Gespräche darüber, wer wir sind und sein wollen. Ein Leitfaden, welche Kleidung in der Schule passend ist, könnte gemeinsam erarbeitet werden und eine Hilfe im Schulalltag sein – für alle.
Elisabeth Leitner
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