BRIEF_KASTEN
Im vergangenen Jahrtausend studierte ich ein Jahr lang in Jerusalem. Für das Essen in unserem Studienhaus sorgte der Koch Abu Schauki. Seit der Krieg in Gaza tobt, muss ich oft an ihn, den Palästinenser aus Gaza, denken. Aufgrund seines Alters wird er wohl nicht mehr leben, aber wie wird es seiner großen und von ihm über alles geliebten Familie gehen? Unter den 24 Student:innen unseres Jahrgangs waren vier Österreicher. Uns hat Abu Schauki besonders gemocht. Das hatten wir Bundeskanzler Bruno Kreisky zu verdanken, der PLO-Chef Jassir Arafat half, Gesprächspartner von europäischen Regierungen zu werden. Damit sorgte der österreichische Bundeskanzler dafür, dass nicht nur dem PLO-Vorsitzenden, sondern dem ganzen palästinensischen Volk zumindest ein klein wenig Respekt und Anerkennung entgegengebracht wurde. Abu Schauki, der herzensgute Koch, der täglich für das Auskommen seiner Familie rackerte, spürte offensichtlich, dass Kreisky auch ihm als Palästinenser ein Stück Würde gab. Darum hat er uns Österreicher als „Kreisky People“ (Leute) bezeichnet. Wenn ihm manchmal nicht gleich der Vorname einfiel, nannte er uns einfach Kreisky. „Kreisky, komm her“, rief er dann und holte den einen oder anderen in die Küche, um ihm einen Leckerbissen zuzustecken. Abu Schauki wußte, was die Palästinenser an Kreisky hatten, daher schaute er auch so gut auf seine „Kreisky People“.
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