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Die Filmliste des Vatikan entstand 1995, als das Kino als Kunstform 100 Jahre alt wurde. Geordnet in die Kategorien „Religion“, „Werte“ und „Kunst“ sind Filmwerke vom Stummfilm „La vie et la passion de Jésus Christ“ aus dem Jahr 1905 bis zu „Schindlers Liste“ (1993) dabei. Natürlich gibt es erwartbare Streifen auf der Vatikan-Liste. In der Kategorie Religion zum Beispiel die „Ben Hur“-Fassung mit Charlton Heston (1959), „Ein Mann zu jeder Jahreszeit“ (1966) von Fred Zinnemann über den heiligen Thomas Morus oder „Mission“ (1986) über Jesuiten in Südamerika von Roland Joffé. Wohltuend ist, dass – außer „Ben Hur“ – Monumental-„Schinken“ wie „Die zehn Gebote“ (1956), „Das Gewand“ (1953) oder „Die größte Geschichte aller Zeiten“ (1965) mit Max von Sydow als Jesus fehlen. Stattdessen kommt der linke Regisseur und Intellektuelle Pier Paolo Pasolini mit seinem einfach gehaltenen Streifen „Das 1. Evangelium – Matthäus“ (1964) auf der Liste vor: Ein Wink, dass große Ausstattung nicht alles ist.
In der Kategorie „Werte“ wird der schwedische Filmemacher Ingmar Bergman zweimal genannt: Mit „Wilde Erdbeeren“ und „Das siebte Siegel“, beide Filme aus dem Jahr 1957. Der italienische Realismus ist mit den Sozialdrama „Fahrraddiebe“ (1948) und dem Klassiker „Rom, offene Stadt“ (1945) stark vertreten. Die Kategorie „Kunst“ versammelt vor allem stilbildende Filme wie „Metropolis“ (1927) von Fritz Lang, „Citizen Kane“ (1941) von Orson Welles oder „2001: Odyssee im Weltraum“ (1968) von Stanley Kubrick.
Seitens des Vatikans hat man immer betont, dass die Liste kein abgeschlossener Kanon sei: Zweifellos gibt es viele Filme, die auf der Liste stehen könnten. Insofern ist es gewöhnungsbedürftig, wenn dort zwei Filme über Franz von Assisi empfohlen werden, mehrere Regisseure zweimal aufgenommen wurden (Bergman, Rosselini, Fellini, Dreyer) oder der letzte Film der Kategorie „Kunst“ 1968 entstand – als sei in den 1970er- und 1980er-Jahren nichts mehr auf diesem Sektor entstanden.
Gelegentlich hätte man sich mehr Mut gewünscht: „Die letzte Versuchung Christi“ (1988) von Martin Scorsese ist ein religiöser Film, auch wenn er auf einem Roman und nicht auf der Bibel beruht und daher eine gewisse Distanz verlangt. Beim Thema „Werte“ hätte auch „Der Priester“ (1994), ein vielschichtiger Film über einen homosexuellen Geistlichen, gepasst.
Dass aus dem deutschsprachigen Bereich nur zwei Stummfilme vorkommen, zeigt eine echte Lücke auf: „Die Blechtrommel“ (1979) hätte in die Kategorie „Kunst“ gepasst, „Die weiße Rose“ (1982) über die studentische Widerstandsgruppe gegen die Nazis wäre ein guter Beitrag für „Werte“ gewesen und „Der Fall Jägerstätter“ (1971) von Axel Corti für „Religion“. Im Übrigen sind sehenswerte Filme auch nach 1995 entstanden: „Silence“ (2016, Martin Scorsese), „Das weiße Band“ (2009, Michael Haneke) oder „Die syrische Braut“ (2004, Eran Riklis). Insgesamt hat die Liste ihr oberstes Ziel aber dennoch erreicht: Dass über die Themen Religion, Werte und Kunst in Filmen diskutiert wird.
Viele der genannten Filme sind über Bibliotheken oder Streamingdienste erhältlich.
Mission (1986). Packendes Drama über Jesuiten in Südamerika, die sich im 18. Jahrhundert auf die Seite der Ureinwohner stellen, damit aber in einen Konflikt mit der Politik und der Kirche geraten. Starbesetzt mit Robert De Niro und Jeremy Irons. Das Drehbuch von Robert Bolt wurde von dem Stück „Das heilige Experiment des Österreichers Fritz Hochwälder“ angeregt.
Der Leopard (1963). Üppiges Sittengemälde nach dem Roman von Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Burt Lancaster beeindruckt in der Rolle des Fürsten von Salina, der beobachtet, wie sich die Welt im 19. Jahrhundert auch auf Sizilien verändert. Grundaussage: Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, müssen wir zulassen, dass sich alles verändert.
Fahrraddiebe (1948). Vittorio de Sicas vorwiegend mit Laienschauspielern gedrehtes Meisterwerk zeigt realistisch das Leben in prekären Verhältnissen und die Auswirkungen auf die Gesellschaft und den Einzelnen – insbesondere die Entwürdigung: Ein Mann wird Opfer eines Diebstahls und am Ende selbst zum Dieb – beobachtet von seinem Sohn.
Auf Wiedersehen, Kinder (1987). Louis Malles autobiografischer Film über jüdische Kinder, die im Zweiten Weltkrieg in einer katholischen Schule in Frankreich versteckt werden. Es ist auch ein Film über Freundschaft in schwierigen Zeiten. Der Film ist unaufgeregt inszeniert – umso mehr werden die Zuseher/innen von der Geschichte mitgenommen.
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