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Eine der häufigsten Mythen rund um Rheuma ist, dass diese Krankheit nur alte Menschen betrifft. „Jein“, sagt Sebastian Rapf, der als Assistenzarzt für Innere Medizin und Rheumatologie im Elisabethinen-Krankenhaus in Klagenfurt arbeitet. „Es kommt auf die Rheumaerkrankung an. Die rheumatoide Arthritis, die am häufigsten vorkommt, betrifft tatsächlich eher Ältere und auch dreimal mehr Frauen als Männer. Doch der Systemische Lupus etwa betrifft eher junge Menschen. Nicht zuletzt gibt es auch Kinder-Rheuma.“
Mit dem Überbegriff Rheuma werden laut Österreichischer Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation rund 400 Erkrankungen beschrieben. Neben der bereits erwähnten rheumatoiden Arthritis gibt es auch Ausprägungen, die primär die Wirbelsäule befallen, die Organe oder die Haut, oder auch Mischformen. „Wenn Gelenksschmerzen vorhanden sind, kann es Rheuma sein, aber auch Abnutzung oder beides. Abnutzung kommt häufiger vor, doch es braucht immer einen Spezialisten oder eine Spezialistin, um das abzuklären“, betont Rapf. Wenn die Gelenke beispielsweise bei Kälte und Nässe schmerzen, muss das keineswegs auf Rheuma hindeuten, sondern kann ein Zeichen für Abnutzung sein.
Ein weiterer Mythos ist, dass Sport und Bewegung schlecht seien bei Rheuma. „Bei Rheuma mit Gelenkschmerzen ist es natürlich schwierig, sich zu bewegen“, räumt Rapf ein. „Deshalb versucht man das mit Medikamenten in den Griff zu bekommen, sodass die Leute so gut wie möglich mobil sein können – so weit es mit den Schmerzen geht.“ Es gibt laut dem Assistenzarzt viele Mittel, die gut wirken, sodass es den Patient:innen meist möglich sei, ungehindert jeden Sport machen zu können.
Immer wieder begegnet Rapf und seinen Kolleg:innen Patient:innen, die sich mit bestimmten Hausmitteln des Rheumas entledigen wollen: etwa mit dem Tragen eines Katzenfells oder dem Mitführen von Kastanien in der Hosentasche. Sebastian Rapf rät von derlei Methoden ab und empfiehlt stattdessen, der Zigarette Adieu zu sagen, denn „Rauchen erhöht das Risiko einer rheumatologischen Erkrankung, verstärkt die Aktivität der Krankheit und senkt die Wirksamkeit der Medikamente.“
Was immer mehr erforscht wird, ist der Einfluss der Bakterien im Darm auf das Entstehen von Rheuma. „Man weiß, dass eine Vielfalt von Bakterien im Darm wichtig ist für ein gesundes Leben. Es wird immer mehr vermutet, dass man eher Rheuma bekommt und diese Krankheit auch schwerer verläuft, wenn es weniger Vielfalt gibt. Deshalb ist eine ausgewogene Ernährung so wichtig, mit viel Obst, Gemüse und Fisch und weitgehendem Verzicht auf Fleisch“, sagt Rapf. Gegenstand der Forschungen sei unter anderem, welcher Bakterienstamm genau dafür verantwortlich ist.
Rheuma zu diagnostizieren, sei gar nicht so einfach, sagt Assistenzarzt Sebastian Rapf: „Es gibt verschiedene Laborwerte, die man abnehmen kann, dann gewisse Röntgenuntersuchungen, ein MRT, wo man die Weichteilveränderungen darstellen kann, sowie verschiedene radiologische Untersuchungen.“ Wichtig sei für ein Gesamtbild das Gespräch mit dem Patienten oder der Patientin, und wie diese:r die Beschwerden beschreibt. Mit der Kombination aus unterschiedlichen Untersuchungen, dem Beobachten des Verlaufs und dem Gespräch mit der betroffenen Person taste man sich an die Diagnose heran. „Die Differenzierung zwischen einer Gelenkentzündung, verursacht duch das eigene Immunsystem und Gelenkschmerzen, die durch Arthrose entstehen, ist eine der größten Herausforderungen, die uns täglich in der rheumatologischen Ambulanz begegnet“, sagt Rapf. Gelenkschmerzen seien bei beiden Erkrankungen ein häufiges Symptom, wobei bei einer rheumatologischen Erkrankung Schwellungen häufiger auftreten und die Patient:innen oft von Ruhe- oder nächtlichen Schmerzen berichten. Schmerzen bei Bewegungen oder Belastung seien dagegen eher ein Hinweis auf Abnutzungen.
Je früher eine Diagnose und damit eine Behandlung erfolgt, desto besser, betont Rapf, denn: „Rheuma kann unwiderrufliche Gelenkschäden verursachen.“
Von der bereits erwähnten rheumatoiden Arthritis sind in Österreich gar nicht so wenige Menschen betroffen: Zwischen 70.000 und 80.000 sind es laut Österreichischer Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation. Jährlich kommen etwa 2.500 neue Erkrankungen dazu. „Rheuma ist keine so seltene Krankheit. deshalb ist es verwunderlich, dass es in Österreich nur sehr wenige Kassenstellen für Rheumatologie gibt“, kritisiert Rapf. Er wünscht sich mehr Bewusstsein in der Öffentlichkeit für dieses Thema und eine schnellere Zuweisung an Fachärzte und -ärztinnen für Rheumatologie durch Hausärzte und -ärztinnen. Dafür brauche es seitens der Politik und der Gesundheitskassen mehr Unterstützung.
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