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Dass sich scheinbar unendlich viele Informationen auf den Lebensmittelverpackungen finden, hat laut Diätologin Anna Steiner mehrere Gründe. Einerseits sind es die umfangreicher werdenden gesetzlichen Vorgaben, welche Information auf der Packung angegeben werden muss, andererseits sollen Produkte mithilfe von Marketingbotschaften („proteinreich“, „zuckerreduziert“, „klimaneutral“) und dem Aufgreifen von Gesundheitstrends („zuckerfrei“, „vegan“, „palmölfrei“) attraktiver gestaltet werden. Apropos Gestaltung: Dem Design wird oft Vorzug gegenüber der Leserlichkeit gegeben, sagt Anna Steiner: „Für ein schönes Design werden oft relevante Informationen in der Schriftgröße verkleinert und das macht es oft schwieriger, die wesentlichen Informationen zu erkennen.“ Klar ist für die Expertin, dass mehr Information nicht gleichzeitig mehr Orientierung heißt: „Entscheidend ist, dass Angaben klar strukturiert, gesetzlich sauber definiert und für Konsument:innen verständlich sind. Und genau daran hapert es derzeit oft.“
Laut EU-Lebensmittelinformationsverordnung sind Hersteller verpflichtet, unter anderem die Bezeichnung des Lebensmittels, den Namen/die Adresse des Herstellers anzugeben, die Zutatenliste, die Nährwerttabelle, die Nettofüllmenge, das Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum sowie bei bestimmten Lebensmitteln die Herkunft. Dazu Steiner: „Das gesetzliche Minimum soll Sicherheit und Vergleichbarkeit schaffen. Alles darüber hinaus dient meist der Orientierung – oder mehr dem Marketing. Als Konsumentin oder Konsument sollte man daher zwischen klar regulierten Pflichtangaben und freiwilligen Werbeaussagen unterscheiden.“
Mit dem Blick auf die Zutatenliste und die Nährwerttabelle sowie dem kritischen Hinterfragen von Werbeaussagen kann man sich im „Bezeichnungs-Dschungel“ gut orientieren. Für die Zutatenlisten gilt laut Anna Steiner: je kürzer, desto besser, wobei die ersten drei Zutaten am wichtigsten sind. Der Anteil an gesättigten Fetten sollte möglichst niedrig sein. Bei der Nährwerttabelle sollte zudem eher auf die Angaben von „g pro 100g“ geachtet werden anstatt auf die Portionsgröße. Zucker und Salz sind auch zwei wichtige Punkte. „Zucker tarnt sich oft unter anderen Namen, wie etwa Glucose, Fructose, Saccharose oder Maltodextrin.“ Erstaunlich viel Salz sei in Fertigprodukten enthalten, deshalb rät Steiner, sich zu überlegen, ob das Essen auch mit weniger verarbeiteten Lebensmitteln zubereitet werden kann. Der Tagesbedarf von Salz liegt bei Erwachsenen bei fünf Gramm pro Tag.
Nicht zuletzt sollten Werbeaussagen kritisch hinterfragt werden. „Light“ ist nicht gesetzlich definiert – ein Beispiel: Light-Joghurt enthält wenig Fett, dafür mehr Zucker. Und „Proteinreich“ heißt nicht automatisch, das Lebensmittel ist gesünder. „In den meisten Fällen können Erwachsene ihren Proteinbedarf über ganz normale Lebensmittel abdecken“, sagt Steiner. „Ohne Zuckerzusatz“ bedeutet zwar, dass kein extra Zucker zugesetzt wurde, jedoch könne das Produkt viel Fruchtzucker enthalten.
Aus diätologischer Sicht sei die geplante Kennzeichnungspflicht für Shrinkflation ab 2026 ein wichtiger Schritt zu mehr Fairness und Transparenz, sagt Anna Steiner. Zusätzlich fände sie unter anderem klarere Regelungen zu Gesundheitsaussagen wie etwa „weniger Zucker/Fett“, eine bessere Lesbarkeit von Pflichtangaben oder eine Zuckersteuer, wie es sie in Großbritannien gibt, sinnvoll. Ausgewogene Ernährung werde jedoch nicht allein durch Information erreicht, gibt Anna Steiner zu bedenken. „Menschen treffen bessere Entscheidungen, wenn die gesündere Wahl automatisch zur einfacheren Wahl wird. Mit klaren, gut umsetzbaren gesetzlichen Vorgaben ließe sich der Lebensmittelmarkt so gestalten, dass Konsument:innen im Alltag unterstützt – und nicht überfordert – werden.“
www.gesundmitanna.at,
www.landschafftleben.at/infografiken/konsum,
fischratgeber.wwf.at
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