REZEPT_
Vielen Menschen fällt es schwer, an Weihnachten Freude zu empfinden: etwa weil sie um jemanden trauern, weil sie eine Trennung hinter sich haben oder sich einsam fühlen. Der Eindruck, eine fröhliche Fassade aufsetzen zu müssen, macht oft alles nur noch schlimmer.
Silvia Breitwieser, Theologin und Psychotherapeutin, rät dazu, die eigenen Gefühle ehrlich wahrzunehmen: „Gefühle wie Trauer oder Einsamkeit sind nicht einfach weg, weil Weihnachten ist. Sie sind ein Teil von mir und dürfen auch da sein.“ Problematischer ist es, wenn jemand „heile Welt“ spielt und die wahren Gefühle verdrängt. „Weniger Perfektion, mehr Echtheit!“, lautet daher ihr Appell. So kann es vor einer Familienfeier hilfreich sein, die anderen „vorzuwarnen“, dass man möglicherweise von seinen Gefühlen überwältigt wird. Auch Enttäuschungen, Kränkungen und Unversöhntes gibt es in praktisch jeder Familie. Das Verbindende in den Blick zu nehmen hilft, einander wertschätzend begegnen zu können.
Wenn ein Familienangehöriger verstorben ist, ist die Intensität der Trauer bei den Angehörigen unterschiedlich. Zu Weihnachten kann sich die Familie fragen: „Wie kann der oder die Verstorbene in unser Beisammensein hereingeholt werden?“ Den Fokus auf das gemeinsam gelebte Leben zu richten, kann tröstlich sein, indem man z. B. Fotoalben anschaut oder die Lieblingsmusik der/des Verstorbenen erklingen lässt. „Freude und Trauer dürfen nebeneinander Platz haben. Das Erinnern und Gedenken sollte aber nicht abendfüllend sein, sondern ein Teil des Feierns. Auch neue Rituale dürfen eingeführt werden“, ermutigt Breitwieser.
Auch die Trennung von Eltern stellt vor besondere Herausforderungen. „Die Weihnachtsfeiertage sollen so geplant werden, dass die Kinder mit beiden Elternteilen gut und in Ruhe feiern können, wenn gemeinsames Feiern nicht möglich ist. Je nach Alter sollten Kinder in die Planung einbezogen werden“, rät die Seelsorgerin. Was keinesfalls stattfinden sollte: ein „Tauziehen“ um die Kinder. „Sie brauchen die Sicherheit, dass sie in der Familie geborgen sind, unabhängig vom Beziehungsstatus der Eltern.“
Einsamkeit betrifft nicht nur Ältere – und sie hat viele Gesichter. „Einsam fühlen sich Menschen dann, wenn sie sich nicht mit lieben Menschen verbunden fühlen, wenn das Alleinsein nicht selbstgewählt ist“, sagt Breitwieser. Das Gefühl zu haben, von anderen nicht wahrgenommen zu werden, ist ein emotionaler Schmerz. Hilfreich ist ein liebevoller Umgang mit sich, also Selbstfürsorge: Mich so annehmen, wie ich jetzt bin, und mich fragen: Was kann ich mir zu Weihnachten Gutes tun, einfach weil ich es mir wert bin?
Auch die spirituelle Dimension gehört zu Weihnachten. „Wir haben in dieser Zeit mehr Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach einem tieferen Leben, und nach Menschen, denen wir etwas wert sind“, sagt Silvia Breitwieser. Wichtig ist, für diese Sehnsucht berührbar zu bleiben. Und selbst etwas zu tun: „Ich kann überlegen: Steht mit jemandem ein Gespräch an? Braucht jemand einen Blick oder ein Wort von mir? Das ist oft etwas Kleines, Schlichtes, das viel verändert.“
Tel. 142;
Chat- und Mailberatung: www.telefonseelsorge.at
Messenger-Beratung (Whatsapp): 0660 142 0 142
„Viele Menschen zweifeln gerade an Weihnachten daran, dass es das Leben, dass es Gott gut mit ihnen meint“, sagt Bischof Manfred Scheuer. Das Angebot der Telefonseelsorge sei daher jetzt besonders wichtig.
Der Bischof und LH Thomas Stelzer unterstützen die Telefonseelsorge am Fr., 19.12., ersterer von 15 bis 17 Uhr, letzterer von 18:30 bis 19:30 Uhr.
REZEPT_

Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>