REZEPT_
Es beginnt oft harmlos. „Warum hast du das schon wieder so gemacht?“ – „Ich habe dir doch gesagt, dass du pünktlich sein sollst.“ Ein kleiner Seitenhieb hier, ein Vorwurf dort – und schon entsteht eine Stimmung, die schwerer auf der Beziehung lastet, als man denkt.
Hinter Kritik steckt selten nur Ärger. Oft stecken unbewusste Ängste dahinter – wie z. B. den anderen zu verlieren, nicht genügen zu können, nicht gehört oder gesehen zu werden. Wer den Partner kontrolliert oder korrigiert, versucht oft unbewusst, Halt zu finden in einer Beziehung, die sich unsicher anfühlt. Doch Kontrolle schafft keine Sicherheit – sie führt oft schleichend zu Distanz. In Beziehungen, in denen Kritik und Vorwürfe alltäglich werden, entsteht eine gefährliche Dynamik: Der eine klagt an, der andere zieht sich zurück.
Solche Muster entstehen meistens aus alten Verletzungen. Wer gelernt hat, dass Liebe an Bedingungen geknüpft ist, dass man „brav“ oder „perfekt“ sein muss, um gemocht zu werden, trägt diese Unsicherheit weiter und sucht ständige Bestätigung vom Partner. Auch Stress, Überforderung oder mangelnde Selbstliebe können den Ton in der Beziehung ver-
giften. Wer sich selbst nicht annehmen kann, neigt dazu, beim anderen nach Fehlern zu suchen.
Der erste Schritt ist das Erkennen. Nicht jeder Vorwurf muss ausgesprochen werden, sondern man sollte sich fragen: Was will ich gerade wirklich sagen? Um welches Bedürfnis geht es mir gerade? Hilfreich ist, die Unsicherheiten in Ich-Botschaften formulieren zu lernen: „Ich fühle mich unsicher, wenn du dich zurückziehst“ vermittelt etwas anderes als „Du redest ja nie mit mir“. Zweitens: Vertrauen braucht Mut. Wer vertraut, verzichtet auf Kontrolle – und riskiert, enttäuscht zu werden. Doch nur so kann Beziehung wachsen. Kontrolle ist das Gegenteil von Liebe; sie ist ein Versuch, Angst zu bändigen. Und drittens: Selbstreflexion und Vergebung. Niemand ist fehlerlos. Wenn wir begreifen, dass auch wir selbst Teil des Musters sind, öffnet sich Raum für Veränderung.
Beziehung ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist ein lebendiger Prozess – manchmal mühsam, oft herausfordernd, aber immer eine Einladung zur Begegnung. Wo Kritik trennt, kann Mitgefühl verbinden. Denn am Ende geht es nicht darum, recht zu haben – sondern darum, in Liebe zu bleiben.
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