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Manche Menschen begleitet er nur temporär, viele jedoch ein Leben lang: der Tinnitus. Einige Ursachen für das subjektiv wahrnehmbare Ohrgeräusch sind bekannt, sagt Christoph Balber, Oberarzt und Tinnitus-Experte am Ordensklinikum Linz.
Ein auslösender Faktor kann zum Beispiel Lärm sein: „Es ist ein Unterschied, ob es sich um einen kurzzeitigen, akuten Lärm handelt oder einen länger andauernden Ton oder Krawall, wodurch ein chronischer Lärmschaden entstehen kann.“ Es gebe auch Tinnitusgeräusche, die ihren Ursprung im Körper selbst haben: „Dazu gehören etwa Verwirbelungen von bestimmten Gefäßen, Engstellen im Bereich der Halsschlagader, Blutschwämme in der Nähe des Ohrs oder subjektiv hörbare Herzfehler“, sagt der Experte.
Auch Stress kann eine Ursache für einen Tinnitus sein, denn auch die psychische Situation habe Auswirkungen auf den Körper. Am weitaus häufigsten sei der idiopathische Tinnitus: „Das heißt, man weiß einfach nicht, woher er kommt.“ Ein Besuch beim Hausarzt, einer Hausärztin oder einem HNO-Facharzt, einer -Fachärztin ist jedenfalls sinnvoll, um eine Diagnose und Infos zur Therapie zu erhalten.
Das Mittel zur Behandlung des Ohrgeräuschs gibt es leider nicht, sagt Balber. Es sei immer individuell mit der betroffenen Person abzuklären, ob eine Therapie, eine Operation oder Akutmaßnahmen sinnvoll sind. Operieren kann etwa bei chronisch entzündeten Ohren oder Otosklerose (Erkrankung des Mittel- und Innenohrs) eine Option sein.
Bei einem akuten Tinnitus, ausgelöst zum Beispiel durch starke Lärmbelastung, gilt es, das Ohr zu schonen und laute Geräusche unbedingt zu vermeiden. Auch Cortison werde laut Balber im Akutstadium verabreicht, jedoch gebe es hier keine evidenzbasierten Erkenntnisse bezüglich der Wirkungsweise.
In den meisten Fällen – also da, wo man die Ursache nicht kennt – „muss jede:r selbst herausfinden, wie er oder sie den Fokus des eigenen Erlebens vom Geräusch wegbringen kann“, sagt Balber. Sei es durch Entspannungstechniken wie autogenes Training oder dem „Aussieben des Tinnitus als unwichtiges Geräusch“, wie man es etwa beim Kaugeräusch (das man auch nicht bewusst wahrnehme) oder beim Autofahren mache.
Lernen, mit einem immer stärker werdenden Tinnitus zu leben, musste auch Brigitte Winkelbauer. Sie leitet die Tinnitus-Selbsthilfegruppe am Ordensklinikum Linz. Der Austausch mit anderen Betroffenen hilft: „In der Selbsthilfegruppe trifft man Menschen, denen es genau gleich geht und die erzählen können, wie sie es geschafft haben, damit zu leben.“ Meistens gehe es den Leuten nach den Treffen besser, nicht weil der Tinnitus verschwindet, sondern weil sie sich verstanden fühlen.
Winkelbauer selbst habe viele Tiefs erlebt und wisse mittlerweile, was mit der Zeit hilft. Sie rät, sich vom Tinnitus nicht unterkriegen zu lassen: „Ziehen Sie sich nicht zurück, sondern gehen Sie weiter Ihrem Beruf und Ihren Hobbys nach. Ich backe zum Beispiel gerne Brot. Wenn man nur zu Hause sitzt und nichts tut, wird der Fokus erst recht auf den Tinnitus gelenkt.“
Besonders schwierig sei das Einschlafen mit Tinnitus, weil die Ablenkung fehlt. Abhilfe schaffen Geräusche wie Weißes Rauschen (gleichmäßiges Rauschen mehrerer Tonfrequenzen, wie man es von Fernseher oder Radio kennt), Vogelzwitschern, Meeresrauschen, Regentropfen und anderes, worauf sich die Betroffenen fokussieren können.
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