„Ohne unsere Mitarbeiter:innen aus dem Ausland wäre der Betrieb in unserem Krankenhaus nicht aufrechtzuerhalten“, sagt Erwin Windischbauer, Geschäftsführer am Krankenhaus Braunau. Rund ein Drittel der dortigen Belegschaft kommt aus dem Ausland, fast 50 Nationen arbeiten hier zusammen. Ein Großteil von ihnen, rund 20 Prozent des gesamten Personals, sind Deutsche. Dahinter folgen Rumänien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Ungarn und die Slowakei. Bis auf Australien sind alle Kontinente im Braunauer Spital vertreten.
Wie essenziell die genannten Menschen für das Funktionieren des Krankenhausbetriebs sind, kann Windischbauer konkret beschreiben. Würden diese Mitarbeiter:innen fehlen, „könnte es auf einigen medizinischen Abteilungen kritisch werden. In unserer Servicefirma mit Reinigung, Logistik etc. verfügt jede:r zweite Mitarbeiter:in über die österreichische Staatsbürgerschaft. In der Küche sind zwei Drittel der Belegschaft keine Österreicher:innen“, sagt Windischbauer. In vielen Bereichen seien Mitarbeiter:innen aus Österreich kaum mehr zu finden. Beispiele seien Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie, Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin oder auch Personal für Reinigung oder Küche. Bei den Akademiker:innen sei die Problemlage vielschichtig, sagt Windischbauer: „Viele junge Menschen aus der Region lernen den urbanen Bereich während ihrer Studienzeit zu schätzen und bleiben nach dem Abschluss ihres Studiums im Zentralraum. Braunau ist nicht unbedingt der Nabel der Welt. Im Arbeiterbereich erleben wir schon auch, dass die hohe Arbeitslosenunterstützung eine gewisse Hemmschwelle für einen zeitnahen Neubeginn darstellt.“
Der Geschäftsführer geht davon aus, dass sich künftig der Anteil der ausländischen Kolleg:innen weiter erhöhen wird. In den vergangenen 15 Jahren habe sich dieser bereits mehr als verdoppelt, und das in allen Bereichen: „Die Rahmenbedingungen in Österreich sind nach wie vor attraktiv und in vielen Bereichen besser als in anderen europäischen Ländern. Daher gehen wir davon aus, dass der Trend anhalten wird.“
Wie könnten Jobs im Krankenhaus für Österreicher:innen attraktiver werden? „Wir verzeichnen vermehrten Zulauf zu unseren Ambulanzen – Tag und Nacht. Oftmals handelt es sich um Behandlungen, die im hausärztlichen Bereich erbracht werden könnten. Diesen unkontrollierten Zulauf zu reduzieren, könnte die Arbeitsbedingungen im Spital attraktiver gestalten.“
„Ich finde es sehr schön, mit so vielen Nationalitäten zusammenzuarbeiten, weil man unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Kulturen kennenlernt“, sagt die Reinigungskraft Belqis Maged aus Afghanistan. Auch die Pflegefachassistentin Aya Ahmad aus Syrien empfindet dies als etwas „sehr Positives“. Sie absolviert derzeit die Weiterbildung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerin: „Es macht den Arbeitsalltag abwechslungsreich und spannend. Ich liebe es, mit Kolleg:innen aus anderen Kulturen zusammenzuarbeiten, da man nie auslernt und viel voneinander profitieren kann. Jede Person bringt ihre eigene Persönlichkeit, Arbeitsweise und Erfahrungen mit – das inspiriert und erweitert den Horizont.“
Nicht zuletzt werde durch die Vielfalt im Krankenhaus der Zusammenhalt im Team gestärkt und fördere Offenheit, Respekt und die Fähigkeit, flexibel auf unterschiedliche Situationen zu reagieren.
Auch wenn die Vielfalt an Nationen und Sprachen bereichernd sein kann, bergen die kulturellen Unterschiede Potenzial für Konflikte. Dem begegnet man in Braunau folgendermaßen: „Seit der ersten Flüchtlingskrise im Jahr 2015 haben wir offiziell unser Migrationsmanagement installiert und mittlerweile etabliert. Krankenhausoberin Sr. Katharina übt diese Funktion sehr gewissenhaft und professionell aus. Wichtig ist, die Themen anzusprechen, die zu Konflikten führen, und klare Grenzen zu setzen bzw. Konsequenzen zu ziehen – bei 1.670 Beschäftigten mit unterschiedlicher kultureller Herkunft eine fast tägliche Herausforderung, der wir uns allerdings gerne stellen“, sagt Windischbauer.
Dass es manchmal auch Missverständnisse gebe, etwa durch unterschiedliche Gewohnheiten oder Arten von Humor, räumt auch Pflegefachassistentin Aya Ahmad ein: „Doch mit der Zeit lernt man, damit umzugehen, entwickelt Geduld, Flexibilität und ein tieferes Verständnis füreinander.“
Für Belqis Maged ist Vielfalt nicht nur persönlich wichtig, sondern auch die Patient:innen würden davon profitieren, „weil ein diverses Team oft besser auf unterschiedliche Bedürfnisse eingehen kann“. Dem stimmt auch ihre Kollegin Aya Ahmad zu: „Wenn die Patient:innen auf Pflegekräfte treffen, die ihre Sprache sprechen, fühlen sie sich oft sofort wohler und verstanden. Einmal erzählte mir eine Kollegin von einer Patientin, mit der sie sich kaum verständigen konnte – die Frau war sehr traurig und still. Als ich erfuhr, dass ich ihre Sprache spreche, ging ich zu ihr. Nach unserem Gespräch und kleinen Späßen in ihrer Muttersprache veränderte sich ihre Stimmung merklich: Sie lächelte, erzählte von ihrem Leben und begann, sich zu öffnen.“
Unter dem Motto „Wir sind St. Josef! Wir sind bunt & vielfältig!“ feierte das Krankenhaus Braunau kürzlich den ersten „Tag der Vielfalt“, ein Fest, das aufzeigen sollte, welche „Bereicherung und Freude dieses bunte Miteinander“ bedeutet. „Wichtig ist, dass uns allen bewusst ist, dass unser Gesundheitssystem ohne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Ausland nicht mehr funktionieren würde und wir – Kolleginnen und Kollegen sowie Patientinnen und Patienten – deshalb allen immer Respekt und Wertschätzung entgegenbringen sollten“, betont Erwin Windischbauer.
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