REZEPT_
In vielen Kirchen laden Bilderstationen dazu ein, den Weg mit Christus mitzugehen und die Bedeutung seines Lebens, Leidens und Auferstehens zu meditieren und nachzuvollziehen. Zentral ist das Kreuz.
Wir moderne Menschen scheuen das Kreuz. Es verunsichert uns, steht es doch für Scheitern und Tod. Gott ist eingespannt zwischen eisernen Nägeln. Und doch ist es für den Glauben jener Ort der Bewegung Gottes hin zu den Menschen. Und diese Bewegung Gottes führt über alle menschlichen Grenzen hin zur Auferstehung. Der Gekreuzigte ist der Auferstandene und umgekehrt. Beide gehören zusammen. Und wenn wir uns mit einem Kreuz bezeichnen, erinnern wir uns an die Zugehörigkeit zu Jesus.
Mich haben Kreuzwege und dort vollzogene Andachten immer berührt. Die Mischung aus Bewegung und Stehen, aus Hören und Schweigen – in Kirchenräumen oder in freier Natur – hat mich oft auf seltsame Art ergriffen. Die verschiedenen Textbausteine, oft literarisch anspruchsvoll, oft meditativ, und auch die künstlerische Gestaltung der einzelnen Stationen versetzen mich in eine besondere Aufmerksamkeit. Man wird Teil der Passion, der Leidenschaft Gottes für die Menschen, die in einer Leidensgeschichte mündet. Die Texte und Bilder lassen das Leiden Jesu durchsichtig werden, hin auf das Leid der Menschen dieser Welt. Ich gehe in einer Gemeinschaft oder alleine Schritt für Schritt, Station für Station im Leben Jesu und eigentlich auch in meinem. Anhand der Versenkung in das geschundene Bild Christi können sich tief in mir weggesteckte Gefühle wie Ohnmacht, Angst und Gottesferne lösen und Gott zuwenden. „Schritt für Schritt, Tritt für Tritt geh’n wir, Herr Jesus, deinen Weg nun mit dir mit“, lautete der zwischen den Stationen verwendete Kehrvers einer Volksschullehrerin mit ihrer Klasse. Alle gingen in Ruhe mit. Schritt für Schritt auf Ostern zu.
Viele von uns kennen den Augenblick, wo nichts mehr geht. Der Maler Sieger Köder hat die Station „Simon von Kyrene hilft Jesus das Kreuz tragen“ so dargestellt, dass Jesus und Simon unter dem schweren Kreuzesbalken gemeinsam uns Betrachtende anschauen. Jeweils einer ihrer Arme hält den über ihnen schwebenden Balken und der andere Arm umfasst die neben ihm gehende Person. Gemeinsam tragen sie das Kreuz. Man weiß eigentlich gar nicht genau, wer wem hilft.
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