Wort zum Sonntag
zu den Salzachquellen führt die Sommerserie in dieser Ausgabe.
„Je näher wir dem Ursprung des Wassers kommen, desto sprudelnder werden die Ideen“, sagt Hermann Signitzer mit beschwingtem Ton. Er zieht die Bänder seiner Bergschuhe fest, denn auf einer Höhe von etwa 2.300 Metern sollte jeder Schritt sitzen – auch, wenn der federnde Weg nur sanft ansteigt. Doch die Kühe, die ihn benutzen, haben mit der Zeit ein paar durch Gras gut getarnte Löcher in den Almboden getreten. Sicher ist sicher. Auf dem Kopf trägt er seinen hellgrauen Filzhut. Der ist dabei, wenn er zum Pilgern aufbricht. Ein Geschenk seiner Schwester, erzählt er.
Signitzer ist in der Erzdiözese Salzburg für Freizeit- und Tourismuspastoral zuständig. Gefragt nach einem stillen und außergewöhnlichen Weg, der den Salzburger und den Tiroler Teil der Erzdiözese verbindet, antwortet er: „Auf zum Salzachgeier!“ Genau dorthin führt sein Weg. Unterwegs kann sich das Auge kaum sattsehen. Der Almrausch blüht, und die Insekten stürzen sich gierig brummend in seine pinke Farbenpracht. Der Wind zieht leicht an den Zirben; an der runden Form, in der sie oben an den Spitzen zusammenlaufen, sind sie leicht zu erkennen. Ihr Duft räumt letzte Zweifel aus. Hoch genug für diese besonderen Bäume ist Signitzer längst aufgestiegen. Den Weg hat er über Kelchsau im Tirolerischen genommen. Eine Forststaße führt mehrere Stunden bergauf. Talentiert im Wandern muss für diesen Weg niemand sein, Ausdauer ist allerdings gefragt. Oben hat die Sonne den letzten Schnee des Winters weggeschmolzen. Außer dem Salzburger ist an diesem Freitag nur ein älterer Herr unterwegs. In der Ferne lacht ein Kind. Eine Strecke mit so atemberaubender Aussicht und wenigen Menschen ist eine Wohltat für Ruhesuchende.
Der Boden macht unter jedem von Signitzers Schritten schmatzende Geräusche. Das fette Gras leuchtet dunkelgrün. Dann zeigt der Pilger auf ein paar Felsen in der Ferne. „Dort“, sagt der wanderfreudige Theologe, „ist der Salzachgeier.“ Obwohl im Bundesland Salzburg gelegen, ist er die höchste Erhebung in diesem Teil der Kitzbüheler Alpen. Dann wandert Signitzers Blick nach links und bleibt über einem dunklen Fleck stehen. „Das ist das Markkirchl“, erklärt er und geht so lange auf den Punkt zu, bis sich das Kreuz auf dem mit Lärchenholz gedeckten Turmdächlein abhebt. Viel früher und auch viel besser zu sehen ist allerdings das stattliche Tiroler Wappen, das neben dem Kirchlein am Salzachjoch die Grenze zwischen Tirol und Salzburg markiert.
Mit einem langgezogenen und knarzenden Geräusch geht die Holztür des Kirchleins auf. Sonnenlicht fällt hinein. Hunderte Gesichter schauen einem entgegen. Sie gehören zu den Sterbebildchen, die die Angehörigen der Toten aus den Nachbargemeinden auf den Berg getragen haben. Zwischen all den Frauen und Männern lächelt Maria ihrem Erstgeborenen am Altarbild milde zu. Und weil das Kirchlein zu Tirol gehört, darf ein Herz-Jesu-Bild mit züngelnden Flammen an der Wand nicht fehlen.
Signitzer springt flott über einen Weidezaun – es gäbe auch ein Tor, durch das weniger Sportliche schlüpfen können – und folgt dem Weg bergab. Wasserplätschern verschluckt mehr und mehr das Vogelgezwitscher und das Gesumme der Hummeln. Plötzlich scheint es, als ströme Wasser aus jedem Grasbüschel und hinter jedem Felsen hervor. „Die Salzach hat nicht nur eine Quelle. Das Nass tritt wie ein Fächer aus dem Boden, alle paar Meter vereinen sich ein paar Rinnsale – so lange, bis ein Bach entsteht.“
„Erste Brücke der Salzach. TVB Wald“ steht in eine Holztafel graviert an einem kleinen Übergang. Mehr Informationen liefert ein blaues Metallschild. „Die Salzach ist mit 225 Kilometern Länge der wasserreichste und längste Nebenfluss des Inn“, ist dort zu lesen. Der Name komme von der Salzschifffahrt, bis 1800 war der Name „Salza“ gebräuchlich.
Wenn es um Quellen und Wasser geht, fallen Hermann Signitzer sofort Bibelstellen ein, und er beginnt von der Schöpfungsgeschichte zu erzählen. „Erst musste das Wasser weichen, damit Land und Berge werden konnten. Gottes Geist schwebte über dem Wasser“, sagt er. Zu pilgern, wo Wasser sprudelt, ist für ihn besonders sinnvoll. Genau der richtige Treibstoff für Gedanken, Gebete, Ideen. Sein Blick schweift über die Hohen Tauern, dann spricht er von Mose, der seinen Stab gegen den Felsen schlägt und den Israeliten so in der Wüste Wasser geben kann. „Wo Wasser ist, ist Leben. Und wo Leben ist, ist Gott“, lautet seine Schlussfolgerung. Rundherum klare Luft, die Wärme der Sonne und das Plätschern der Salzachquellen.
Inntalautobahn, Ausfahrt Wörgl Ost, Richtung Kitzbühel; nach Bruckhäusl rechts ins Brixental Richtung Hopfgarten abzweigen; in Hopfgarten nach der Bahnunterführung geradeaus in die Kelchsau, weiter bis zur Kreuzung Langer und Kurzer Grund (Mautstelle, € 4,–); nun links in den Kurzen Grund bis zum Ende der Fahrmöglichkeit beim Gasthof Wegscheid
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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