Dietmar Steinmair ist Geschäftsführer des Katholischen Bildungswerks Vorarlberg und Teamleiter im Pastoralamt der Diözese Feldkirch.

Der Mann, der mich begleitete, führte mich zum Eingang des Tempels und siehe, Wasser strömte unter der Tempelschwelle hervor nach Osten hin; denn die vordere Seite des Tempels schaute nach Osten. Das Wasser floss unterhalb der rechten Seite des Tempels herab, südlich vom Altar. Dann führte er mich durch das Nordtor hinaus und ließ mich außen herum zum äußeren Osttor gehen. Und siehe, das Wasser rieselte an der Südseite hervor.
Er sagte zu mir: Dieses Wasser fließt hinaus in den östlichen Bezirk, es strömt in die Áraba hinab und mündet in das Meer, in das Meer mit dem salzigen Wasser. So wird das salzige Wasser gesund. Wohin der Fluss gelangt, da werden alle Lebewesen, alles, was sich regt, leben können und sehr viele Fische wird es geben. Weil dieses Wasser dort hinkommt, werden sie gesund; wohin der Fluss kommt, dort bleibt alles am Leben.
An beiden Ufern des Flusses wachsen alle Arten von Obstbäumen. Ihr Laub wird nicht welken und sie werden nie ohne Frucht sein. Jeden Monat tragen sie frische Früchte; denn ihre Wasser kommen aus dem Heiligtum. Die Früchte werden als Speise und die Blätter als Heilmittel dienen.
Schwestern und Brüder! Ihr seid Gottes Bau. Der Gnade Gottes entsprechend, die mir geschenkt wurde, habe ich wie ein weiser Baumeister den Grund gelegt; ein anderer baut darauf weiter. Aber jeder soll darauf achten, wie er weiterbaut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus.
Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wer den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören. Denn Gottes Tempel ist heilig und der seid ihr.
Das Paschafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen. Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern; das Geld der Wechsler schüttete er aus, ihre Tische stieß er um und zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!
Seine Jünger erinnerten sich, dass geschrieben steht: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren. Da ergriffen die Juden das Wort und sagten zu ihm: Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten? Er aber meinte den Tempel seines Leibes. Als er von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.
Gott ist uns Zuflucht und Stärke,
als mächtig erfahren, als Helfer in allen Nöten.
Darum fürchten wir uns nicht, wenn die Erde auch wankt,
wenn Berge stürzen in die Tiefe des Meeres.
Eines Stromes Arme erfreuen die Gottesstadt,
des Höchsten heilige Wohnung.
Gott ist in ihrer Mitte, sie wird nicht wanken.
Gott hilft ihr, wenn der Morgen anbricht.
Mit uns ist der Herr der Heerscharen,
der Gott Jakobs ist unsre Burg.
Kommt und schaut die Taten des Herrn,
der Schauder erregt auf der Erde.
Die Tempelreinigung steht im Johannesevangelium ziemlich am Anfang, gleich nach dem ersten Wunder Jesu bei der Hochzeit von Kana. Im Unterschied zu den anderen Evangelien war Jesus nach Johannes mehrmals in Jerusalem, allein dreimal am Paschafest. Beim ersten davon betritt Jesus gleich den Tempel und wirft die Geldwechsler und Tempelhändler samt Opfertieren aus dem „Haus seines Vaters“. Jesus – der Inbegriff der Gewaltlosigkeit – wird hier offenbar selbst gewalttätig im „Eifer für den Herrn“. Für Jesusgegner aller Zeiten ein willkommenes Argument, um die Glaubwürdigkeit Jesu als Pazifist und somit die Gewaltlosigkeit aller Religion(en) in Zweifel zu ziehen. Jesusfreunde aller Zeiten verweisen dagegen darauf, dass der Heiland ja keine Menschen geschlagen, sondern nur Geld ausgeschüttet und Tische umgestoßen habe. Zudem habe Jesus – insgesamt betrachtet – durch die Hingabe seines eigenen Lebens alle blutigen Opfer(-Tiere) für immer obsolet und das schon mit der Tempelreinigung deutlich gemacht. Dennoch: Die Szene bleibt ambivalent in ihren Interpretationsmöglichkeiten.
Warum überhaupt bauten Menschen aller Zeiten riesige Tempel und Gotteshäuser? Um Gott zu ehren – in Stein und Mörtel? Weil angesichts der Größe Gottes den größenwahnsinnigen Menschen nichts Besseres einfiel? Um sich selbst Zeichen und Andenken zu setzen? Auch Gotteshäuser in all ihrer Schönheit, aber wegen der dafür oft genug in Kauf genommenen Entbehrungen, bleiben ambivalent.
Jesus selbst gibt nach Johannes den entscheidenden Hinweis: Er meint den Tempel seines Leibes, nicht den aus Stein, der niedergerissen und wieder aufgerichtet werden kann. Der Weg zu Gott führt immer über Jesus – und manchmal gerade nicht durch ein Gotteshaus.

Dietmar Steinmair ist Geschäftsführer des Katholischen Bildungswerks Vorarlberg und Teamleiter im Pastoralamt der Diözese Feldkirch.