Mira Stare ist promovierte Bibelwissenschaftlerin an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Innsbruck und Pfarrkuratorin.
Hunderttausende Follower auf YouTube, volle Hallen,
ekstatisch reißen Menschen ihre Hände in die Höhe – ja, so reitet man auf der Welle des Erfolgs. Gilt das auch für Christinnen und Christen? Je mehr Follower, je mehr Ekstase, umso christlicher? Der Erfolg gibt Recht und Glaube?
Ja, manchmal hat man den Eindruck, es wäre so. Auch die christlichen Marktschreier sind laut, omnipräsent auf den Internet-Tribünen und den Bildschirmen. Je höher die Follower-Zahlen, umso höher der Autoritätsanspruch. Wenn einer so viele Klicks für die YouTube-Predigt bekommt, dann muss er doch gut sein. Da muss Gott wirken.
Ja, vielleicht. Vielleicht auch nicht. Christlicher Glaube ist kein Zahlenspiel. Wie viele Heilige wurden Zeit ihres Lebens verachtet, nicht selten auch von der kirchlichen Obrigkeit ermahnt? Charles de Foucauld, heute als großer Mystiker geschätzt, war eine Randgestalt in der Wüste. 1916 wurde er vor seiner Klause ermordet. Erst 1933 entstand die erste Gemeinschaft nach seinem Vorbild – die Kleinen Brüder Jesu. Ein erfolgloser Eremit, der spät Frucht bringt. Vor 2000 Jahren soll der gekreuzigt worden sein, dem Charles nachfolgte. Ein schräger Typ, der sich mit Sündern, Armen und allerlei verkommenen Typen abgegeben hat. Manche nannten ihn Fresser, Säufer, Spinner, manche Messias. Und wir?
Reichtum, Ekstase, Follower – nichts von dem ist ein Beweis, dass hier Gott wirkt. Nicht nur Hameln hatte seinen Rattenfänger. Jede Religion hat ihre Rattenfänger, die verführerisch ihre Melodien von Wissen, Reichtum, der einen exklusiven Wahrheit spielen. Kommet zu mir, und euch gehört die Welt! Je voller die Hallen, umso größer muss unsere Vorsicht sein, welcher Geist hier waltet. Der Geist des Herrn oder der Geist der Massen? Der Geist der Freiheit oder der Geist der Unterwerfung? Der Geist des Dialogs oder der Geist der Spaltung? Braucht die Kirche Erfolg? Und die Welt eine erfolgreiche Kirche? „Eine Kirche, die der Liebe keine Grenzen setzt, die keine zu bekämpfenden Feinde kennt, sondern nur Männer und Frauen, die es zu lieben gilt, das ist die Kirche, die die Welt heute braucht“, schreibt Leo XIV. in Dilexi te. Kirche braucht keinen „Erfolg“. Kirche braucht Liebe. Und die Welt eine Kirche, die grenzenlos liebt – unmöglich, aber notwendig prophetisch.
Mira Stare ist promovierte Bibelwissenschaftlerin an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Innsbruck und Pfarrkuratorin.
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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