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Was glauben Sie eigentlich: Wer ist ein Märtyrer?

GLAUBENS_GUT

Universitätsprofessorin Michaela Quast-Neulinger nimmt notwendige Klärungen eines inflationär verwendeten Begriffes vor. 

Ausgabe: 42/2025
14.10.2025
- Michaela Quast-Neulinger
Seligsprechung von Franz Jägerstätter
Seligsprechung von Franz Jägerstätter
© Diözese Linz / Hermann Wakolbinger

Manche Kinder lasen „Superman“, „Spiderman“ oder „Captain America“. Ich jedoch hatte vom Pfarrer zwei in Leinen gebundene Bücher in alter Druckschrift bekommen, aus den 1930ern. Es ging um unerschrockene Helden – gefangen, gefoltert und ermordet von den Feinden, meist von den Römern. Leben und Leiden der Märtyrer der alten Kirche wurden darin geschildert. Der Eindruck war: Je grausamer der Tod, umso heiliger der Mensch.

 

Politischer Missbrauch 


In den 1970ern säten die Terroristen der RAF Gewalt und wurden als Quasi-Märtyrer verehrt. Im islamistischen Kontext reißen Terrorist:innen unzählige Menschen mit in den Tod und stilisieren sich als „Märtyrer“.

 

Nationalsozialisten rückten den Soldatentod ins Licht des „Martyriums für das Vaterland“. Und in unseren Tagen? Wen präsentieren uns Medien, Politik, Ideologien als „Märtyrer“? Eberhard Schockenhoff warnt eindringlich vor der „politischen Usurpation (Aneignung) des Märtyrerbegriffs“. Die Inszenierung als „Märtyrer“ rechtfertige alles, vor allem die Vernichtung der „Feinde“. Die Unterscheidung zwischen Opfer und Täter wird mitunter verschoben.


Sie schaden niemandem


Doch das christliche Martyrium ist anders. Es bemisst sich an der Nachfolge Christi. Keiner, der Gewalt, Hass und Lügen predigt, kann je ein christlicher Märtyrer sein – und mag er noch so sehr als ein solcher präsentiert werden oder sich Zeit seines Lebens als „Christ“ bezeichnet haben. Niemals fügt ein Märtyrer oder eine Märtyrin anderen Schaden zu, weder physisch noch psychisch. Auch nicht für die „gute Sache“.

 

Sie treten aufrichtig ein


Märtyrer sind unbequem, weil sie uns mit der Radikalität des christlichen Zeugnisses für Freiheit, Gerechtigkeit und Wahrheit konfrontieren. Wie weit wäre ich bereit zu gehen? Wo verstecke ich mein Christsein, weil die Sticheleien der anderen nerven, weh tun? Warum schweige ich, obwohl das Unrecht zum Himmel schreit? Wo lasse ich die Ausbreitung von Lügen und Hetze zu, weil es bequemer ist?


Nicht: Je grausamer der Tod, desto heiliger der Mensch. Sondern: Je tiefer die Liebe zu Gott und Mensch, je aufrichtiger das Eintreten für das höchste Gute, für das Leben aller in Fülle, umso näher am Heiligen. Dieses Zeugnis ist zu jeder Stunde gefragt. Von allen. Und manchmal verlangt es uns das Letzte ab.

Michaela Quast-Neulinger: Ass. Professorin am Institut für Systematische Theologie in Innsbruck
Michaela Quast-Neulinger: Ass. Professorin am Institut für Systematische Theologie in Innsbruck
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