Dietmar Steinmair ist Geschäftsführer des Katholischen Bildungswerks Vorarlberg und Teamleiter im Pastoralamt der Diözese Feldkirch.
Jenes Buch, mit dem sich John Henry Newman in die katholische Kirche schrieb, geriet sofort unter Verdacht: „Über die Entwicklung der Lehre“. Noch heute ist dieses Werk nicht bei uns angekommen, weil Newman dabei nicht nur an Sätze dachte. Er hatte bei „Lehre“ immer das reale Leben der Glaubenden vor Augen. Deshalb müssten die Glaubenden in Sachen der Lehre gefragt werden. Diese Forderung galt zu seiner Zeit (wie manch andere seiner Ideen) als unerhört!
Newman entwickelt eine „Idee des Christentums“, die uns einen offenen Blick auf die gesamte Geschichte des Christentums mit allen Höhen und Tiefen ermöglicht. Das war in seiner Zeit bitter notwendig. Newmans Lebenszeit umfasst das 19. Jahrhundert. England wird in seiner Lebenszeit der bedächtige Pionier der Moderne. Industrialisierung (man denke an den Erfinder James Watt), das englische Empire, der politische Liberalismus (John Locke), aber auch der Marxismus (Karl Marx) und die Evolutionslehre (Charles Darwin) bleiben mit England bis heute verbunden. War England am Beginn von Newmans Leben eine protestantische Nation, die von der Bibel lebte, so schien es Newman, dass in Zukunft das Christentum einer religionslosen Gesellschaft begegnen werde.
Noch als Anglikaner war Newman davon überzeugt, dass die Kirche immer dasselbe lehren müsse. Deshalb seien die Neuerungen der katholischen Kirche vom Teufel. Doch er merkte, dass diese Vorstellung weder der Geschichte noch einer lebendigen Wirklichkeit entsprechen könne. Wir ändern uns immer, und mit uns auch unsere Gemeinschaften und Lehren. Eine authentische Entwicklung nimmt Neues auf und transformiert das Überlieferte bewahrend in eine neue Gestalt. Darin erweist sich die Lebenskraft der Kirche. In der Entwicklung bewahrt sie ihre Gestalt, die in ihren Prinzipien liegt.
Nach Newman ist das Urprinzip des Christentums die Inkarnation, durch die alles prinzipiell geheiligt ist. Ebenso essentiell sind, weil sie die von oben gegebene Gabe in der Zeit sichern: Das Dogma (als verbindliche Vergegenwärtigung des göttlichen Wortes) und der Glaube, der die unbedingte persönliche Zustimmung einfordert. Dieser Glaube öffnet den Intellekt für die Forschung, ermöglicht Theologie und trägt die Disziplin in der Abkehr von der Sünde und im Horchen auf das Gewissen. Immer war und ist die Kirche inmitten von Auseinandersetzungen. Immer wieder schien alles zu Ende zu sein. Immer wieder eckt die Botschaft an, immer wieder werden wir als zu lasch entlarvt. Newman lenkt deshalb unseren Blick auf den Herrn der Geschichte: „Möge Er uns den ganzen Tag lang unterstützen, bis die Schatten länger werden und der Abend kommt, die geschäftige Welt verstummt, das Fieber des Lebens vorbei und unsere Aufgabe getan ist. Dann möge Er uns in Seiner Gnade schließlich eine sichere Unterkunft und eine heilige Ruhe und Frieden geben.“
John Henry Newman (1801–1890) wurde am 1. November in den Kreis der 38 Kirchenlehrer:innen aufgenommen – als erster englischsprachiger Christ.
20 Jahre lang wirkte er als anglikanischer Priester, wurde katholisch, wieder zum Priester geweiht und 1879 Kardinal.
Er gilt als einer, der anglikanische und katholische Kirche verbindet. Das Gewissen und die persönliche Gottesbeziehung stehen im Mittelpunkt seiner Theologie.

Dietmar Steinmair ist Geschäftsführer des Katholischen Bildungswerks Vorarlberg und Teamleiter im Pastoralamt der Diözese Feldkirch.

Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>