Wort zum Sonntag
In meiner Kindheit habe ich neben dem Ausgang der Herz-Jesu-Kirche in Wels ein Plakat gesehen. Es war dort gut befestigt, man konnte kaum vorbeigehen, ohne es wahrzunehmen und zu lesen: „Lebe so, wie, wenn du sterben wirst, wünschen wirst, gelebt zu haben.“ Kommt Ihnen der Satz kompliziert vor? Als Kind war mir der Inhalt kein Problem, eine Mahnung sehr wohl. Ja, irgendwann einmal werde ich sterben, ich werde vor Gott stehen und er wird ein strenger Richter sein. Das haben wir ja auch gesungen: „Strenger Richter aller Sünder, treuer Vater deiner Kinder, der du in dem Himmel wohnst, drohest, strafest und belohnst.“ So stand es im alten Liederbuch und so habe ich mich auch bemüht, brav zu sein, um dann einmal Gnade zu finden vor dem strengen Richter.
Viel mehr als der Inhalt des Schachtelsatzes an der Kirchentür hat mich seine Grammatik interessiert, die Satzanalyse. Im Lauf des Lebens aber habe ich gelernt, nach der Grammatik des Glaubens zu fragen, die es zu entschlüsseln gilt. Zunächst einmal ist dieser Liedtext aus dem offiziellen Liederbuch verschwunden. Heute singen wir nach dieser Melodie im Gotteslob Nr. 916: „Gott und Vater, voll Vertrauen aller Augen auf dich schauen“. Wie dankbar bin ich, gerade jetzt, 60 Jahre nach der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils, für die geradezu kopernikanische Wende in der Verkündigung, im Gottesbild, das uns vermittelt wurde! Ich darf mich im Augenblick des Todes vom barmherzigen Gott umarmen lassen, wie der Vater seinen Sohn umarmt, der heimkehrt zu ihm (Lukas 15,20). Wenn ich von dieser Zuversicht erfüllt bin, kann ich mir nur wünschen, dass der Glaube an Gott, den Liebenden, meinen Alltag prägt.
Freilich steht da zunächst die Frage, was ich über das Ende des Lebens denke, was ich für das „Danach“ erwarte. Ist dieses Leben die „letzte Gelegenheit“, wie es im berühmten Buchtitel der Autorin Marianne Gronemeyer vor fast vierzig Jahren geheißen hat? Wenn mit diesem Leben alles aus ist, dann muss ich es mir jetzt einfach gut gehen lassen. Oder ich sorge dafür, dass etwas bleibt, damit es unseren Kindern besser geht. Ich kann es mir auch zur Aufgabe machen, wenigstens unserer Erde Gutes zu tun, die Schöpfung zu achten. Wenn ich aber glauben darf, dass mit dem Tod nicht alles aus ist, dass ich in die Wohnung kommen darf, die mir bereitet ist, dann kann ich auch die vierte Strophe des Liedes Nr. 916 im Gotteslob singen: „Lass uns stets auf dich vertrauen, alle Hoffnung auf dich bauen, treu bewahren deinen Bund, du bist uns’res Lebens Grund“!
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Zum Foto: Sr. Beatrix Mayrhofer, Distriktleiterin der KOngregation der Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau Österreich/Italien und ehemalige Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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