Wort zum Sonntag
Nein, die Hebamme und ihr Jungfräulichkeitstest kommt in der Heiligen Schrift nicht vor. Die damit verbundenen Männer-, Macht- und Moralphantasien werden auch im Himmel nicht geprüft werden können.
Wer das Bekenntnis von der Jungfräulichkeit Mariens biologisch liest, zerstört den Zauber, den jene Frau durchstrahlt, die als Mutter Jesu vom Engel mit den Worten begrüßt wurde: Der Herr ist mit dir! Und Elisabeth überrascht mit dem Wort: „Du bist voll der Gnade“! Also muss in und durch diese Frau etwas von der Herrlichkeit des Heiligen Israels aufleuchten. An der Mutter des Wortes Gottes wird bis ans Ende der Menschheitsgeschichte die wahre göttliche Schönheit aufleuchten.
Nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott ist dieser Jesus gekommen. Also nicht aus der menschlichen Herrschaftsgeschichte. Aus Gott, aber durch und allein mit diesem jungen Mädchen.
Gott schenkt sich ganz dem Menschen. Denn darin besteht die Allmacht Gottes, die einzige Allmacht, die diesen Namen verdient. Diese Allmacht will und bejaht andere Freiheit unbedingt; bis in die mögliche Ablehnung hinein. Sie riskiert einen „Korb“ zu bekommen. Gott musste also auf das freie Ja dieser Frau warten, ja hoffen.
Bis heute übersetzen wir die Verkündigungsszene verkehrt. Da ist keine Angst vor Gott, die als Folge der Sünde Adam ins Versteck trieb (Genesis 3,10). Wörtlich heißt es: Maria wird umgedreht, vielleicht verwirrt, habe ein Zwiegespräch begonnen und über den Gruß nachgedacht. Darin bestärkt sie der Engel: Ja, denk nach! Frage nach! Im Schatten des Mantels der Mutter Gottes habe ich immer einen angstfreien Raum des Glaubens erfahren.
Die Jungfräulichkeit Mariens ist das leibliche Realsymbol der Gewaltlosigkeit Gottes, des Vaters Jesu Christi. So viele Erzählungen der alten Welt, in denen Götter mit Frauen Beziehungen aufbauen, handeln von Betrug, Gewalt und Zerstörung. Europa ersäuft und Herr Zeus hört, sieht und fühlt nichts. Die marianische Poesie des Glaubens weiß hingegen, dass der Gott Israels von Anfang bis zum Ende jene in seiner Güte und Liebe ganz bewahrt, die er erwählt hat. Denn er hat nicht nur eine Geschichte mit dieser Frau, sondern mit und durch sie mit allen Menschen. Verliebt hat er sich, wie Hosea (11) sagt, und ist selbst verletzbar geworden, wie er es uns durch Maria im Herzen Jesu zeigen konnte.
So dürfen wir das Geheimnis dieser Gnade des ersten Schöpfungssabbats erahnen, das auch in einer langen Ehe aufblitzen kann: Schmetterlinge im Bauch, die Erotik des ersten Augen-Blickens in der Erfahrung, wie am ersten Tag angeschaut zu werden.
Weil die Rede von der Jungfräulichkeit Mariens so provokativ, so gegen den Trend der Zeit heute steht, möchte ich diesen Aspekt bewahren. Denn es ist uns damit gezeigt, dass nicht alles unserer Macht und unserem Begreifen unterliegt.
Suche nach dem fruchtbaren Kern
Teil 4 von 5
Der allmächtige Gott und das Leid
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>