Mira Stare ist Bibelwissenschaftlerin an der Kath.-Theol. Fakultät Innsbruck und Pfarrkuratorin in der Diözese Innsbruck.
Als Vinzenz von Paul im August 1617 in Châtillon-les-Dombes in Frankreich mit einigen Frauen den ersten Caritasverein gründete, ahnte er nicht, dass aus dem kleinen Samenkorn in den kommenden 400 Jahren ein weltweit verzweigter Baum entstehen würde. Heute folgen unzählige Menschen dem konkreten Beispiel dieses Heiligen. In unterschiedlicher Weise versuchen Frauen und Männer, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter:innen, der vielfältigen Not der Zeit zu begegnen und Abhilfe zu schaffen, wo es nottut. Ob in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Ausbildungsstätten oder Behinderteneinrichtungen, in der Flüchtlingsarbeit, bei Obdachlosen oder in anderen Sozialstellen: Im Sinn des heiligen Vinzenz bringen sie die Liebe Christi auf vielfältige Weise zu den Menschen.
Neben der caritativen Tätigkeit darf aber der seelsorgliche Dienst nie zu kurz kommen. Das erkannte Vinzenz, als er einem schwerkranken Bauern die Beichte abnahm und bemerkte, wie groß nicht nur die materielle Not des Mannes war, sondern auch die geistliche. 1625 gründete Vinzenz die „Kongregation der Mission“, die heute in verschiedenen Ländern unterschiedlich bezeichnet wird. In Österreich sind es die Lazaristen – nach dem ersten Mutterhaus „Saint-Lazare“, in Deutschland werden sie Vinzentiner genannt. Ihre Aufgabe ist es, für Seele und Leib Sorge zu tragen. Die ganzheitliche Sicht des Menschen hat Vinzenz gelehrt, und sie ist bis heute ein wesentliches Merkmal vinzentinischer Einrichtungen.
Die weltweite vinzentinische Familie ist heute groß, multikulturell, mehrsprachig und prophetisch. Sie umfasst mehr als 170 Gemeinschaften, die ihrerseits wieder viele Zweige haben. „FamVin“ ist ein Sammelbegriff für dieses Netzwerk.
Im Buch Exodus (Kapitel 3) lesen wir, dass Gott zu Mose sagt: „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne sein Leid. Ich bin herabgestiegen, um es der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land ...“ Im selben Kapitel nennt Gott seinen Namen: „Ich bin, der ich bin“. Gott ist präsent, Gott ist da. Wer den Spuren des heiligen Vinzenz von Paul nachgeht, wird entdecken, dass auch er für die Menschen da war. Dass er das Elend der Menschen gesehen, ihre laute Klage gehört hat und ihr Leid kannte. Nach seiner eigenen Aussage war es Vinzenz in der Nachfolge Christi ein brennendes Bedürfnis „zu tun, wie Jesus – der Sohn Gottes auf Erden – getan hat und so Jesu Sendung fortzusetzen“.
Mehr als 400 Jahre ist Vinzenz von Paul vielen, die von der Not der Mitmenschen berührt werden, Vorbild und Lehrer, das Wort Gottes zu verstehen und es durch konkrete Werke der Barmherzigkeit zu befolgen.
Gerne hat der heilige Vinzenz seine Unterweisungen mit einem persönlichen Gebet beendet:
„Gott, du hast uns zu Helfern deiner unendlichen Vaterliebe erwählt. Du willst, dass sie sich in der ganzen Welt ausbreitet. Wir sollen den Brand deiner Liebe in den Herzen der Menschen entfachen und so die Sendung deines Sohnes Jesus Christus hier auf Erden weiterführen. Er ist gekommen, Feuer auf die Erde zu bringen. Wir beten mit ihm: Lass das Feuer deiner Liebe auf Erden auflodern und alles ergreifen.“
Mira Stare ist Bibelwissenschaftlerin an der Kath.-Theol. Fakultät Innsbruck und Pfarrkuratorin in der Diözese Innsbruck.
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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