Wort zum Sonntag
Führ, liebes Licht,
in drängender Finsternis:
Führ Du mich an.
Die Nacht wird schwarz und ich –
weit von zu Haus.
Führ du mich an!
Halt meinen Fuß, Du!
Ich bitt‘ nicht darum zu sehen,
was einmal geschehen wird.
Ein Schritt – genug für mich /
One step enough for me
„Lead kindly light“,
Gedicht von John Henry Newman
in der Übersetzung von Roman A. Siebenrock
Hiob ist jene literarische Gestalt der Bibel, die wir alle sind. Er fragt, hofft und streitet auch in uns. Nach der Heiligen Schrift sind seine Kritik an den Freunden und sein Pochen auf einen Rechtsstreit mit Gott selbst Wort Gottes. Warum? Weil Gottes Wort nicht zuerst die Welt erklärt und alle Fragen auflöst, sondern uns zum Zwiegespräch ermutigt. Es befähigt uns, unser Herz auszubreiten, damit neues Leben wachsen und gedeihen kann.
Wenn der Heilige Geist die heiligen Schriftsteller/innen inspiriert hat und heute uns Lesende begeistert, dann geschieht das, was wir im Glaubensbekenntnis von ihr, der Macht Gottes, sagen: „lebendig machen“. Gottes Wort ist zuerst und zuletzt die therapeutische Kraft, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben (Johannes 10,10).
Leid aber ist jene Erfahrung, in der das Leben eingeschränkt, verletzt und immer auch zerstört wird. Schmerz und Tod gehören nach unserer Erfahrung unvermeidbar zum Leben. Das verstehen wir. Unverständlich bleibt aber jenes Leid, das alle Grenzen sprengt: das Leid unschuldiger Kinder. Wie kann ein allmächtiger und liebender Gott solch maßloses Leid zulassen? Seit Gottfried W. Leibniz († 1716) wird mit dieser Frage das Problem der „Theodizee“ aufgeworfen, die Frage nach der „Rechtfertigung Gottes“ angesichts des Leids.
Diese Frage hat Theologie und Philosophie in den letzten Jahren tief bewegt. Eine Antwort auf das Warum ist nicht möglich. Es kann aber gut begründet werden, warum der Atheismus, die Überzeugung, dass es keinen Gott gäbe, keine allgemeine Antwort auf diese Frage darstellt. Leid kann die Folge von Schuld und Sünde sein, es kann auch mitunter zur sittlichen Besserung dienen. Aber angesichts des Leids von Kindern sind solche Antworten absurd.
Als Königsweg einer möglichen Antwort bewährt sich die Einsicht: Wenn Gott als Ziel seiner Schöpfung die Antwort der Liebe von freien Geschöpfen gewollt hat, und die Gottheit, weil sie dreifaltige Liebe ist, nur in Liebe handeln und die Menschen umwerben kann, dann ist Leid unausweichlich.
Mögliches Leid ist der Preis der Freiheit. Dieser „Preis“ ist aber nur auf den ersten Blick ein Zeichen der Ohnmacht Gottes. Die Freiheit des Geschöpfs in Liebe unbedingt zu wollen und bis zum Ende anerkennend mitzutragen, das ist das Zeichen wahrer Allmacht. Denn dies ist eine Macht, die nicht mehr um sich selbst kreist, sondern angstfrei und selbstvergessen sich schenkt. Der Preis liebender Allmacht liegt im Risiko anderer Freiheit.
Uns Christgläubigen ist ein besonderes Zeichen geschenkt: Das Offenbarwerden der Herrlichkeit Gottes in Jesus Christus. Er ist den Weg in die Dunkelheit des Leidens gegangen. Vater und Mutter Jesu haben ihn nicht allein gelassen auf dem Weg zum Kreuz. Sie sind mitgegangen, haben mitgelitten: Compassion! Mit-Hingabe. Die Annahme von Tod, Gewalt und menschlicher Grausamkeit durch den Heiligen Gottes hat die Mächte des Todes gestürzt und gewandelt. Kreuz und Auferstehung Jesu lösen die Frage nach dem Leid nicht auf, sondern stiften die Hoffnung, dass einmal alle Tränen abgewischt sein werden (Offenbarung 21,4). «
Suche nach dem fruchtbaren Kern
Teil 3 von 5
Der allmächtige Gott und das Leid
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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