Wort zum Sonntag
Die Vormittagssonne glänzt über den Nußdorfer Weingärten vor dem Abhang des Kahlenberges. Die Stadt Wien liegt dem Betrachter beim Gang zwischen den Weinstöcken zu Füßen. Wolfgang Hamm nimmt eine dunkle Beere aus einer Traube und kostet: Süß und reif, es ist Zeit für die Lese, die weiter unten im Weingarten schon begonnen hat. „Wir hatten einen langen Winter. Die Vegetation war zunächst drei Wochen hinten, jetzt sind wir dem normalen Jahr drei Wochen voraus“, sagt der Geschäftsführer des Stiftsweinguts von Klosterneuburg. Angesichts des heurigen Jahres kann er sich – anders als die Landwirtschaft in vielen Teilen Österreichs – über eine gute Ernte freuen. Für die ganz feinen Nuancen im Wein wäre es aber nicht schlecht, wenn man die Trauben noch ein bisschen länger am Stock lassen könnte, sagt Hamm auf dem Weg zu den Arbeitern im Weinberg der Chorherren.
In dieser Riede wächst die rote Pinot-noir-Traube, auf dem anderen Hang Richtung Kahlenbergerdorf und Donau hinunter stehen auch Weißweinstöcke. Das Stiftsweingut hat alle Lagen für Interessierte ausgeschildert: Mit einem QR-Code kann man sich Informationen gleich auf das Handy laden. „Wir haben eine große Tradition, aber um diese lebendig zu erhalten, müssen wir uns im Hier und Heute bemühen“, erklärt Hamm. Gleichzeitig ist er überzeugt davon, dass man gerade im Weinbau nicht jeder Mode nachlaufen darf: „Wir pflanzen eine Rebsorte für 40 Jahre und achten darauf, welche Sorte in welcher Lage ideal ist. Das ergibt einen sehr guten Wein, der auch dann gerne getrunken wird, wenn die Rebsorte vielleicht gerade nicht sosehr in Mode ist.“ Unter den Weinen, die das Stift in Klosterneuburg, Wien, Gumpoldskirchen und Tattendorf anbaut, sind sehr unterschiedliche und auch spezielle einheimische Rebsorten: In Gumpoldskirchen wachsen die Trauben für den Zierfandler und den Rotgipfler. „Diese Weine sind dort zu Hause“, sagt Hamm.
Unterdessen füllen sich die Kisten mit den geernteten Trauben, die anschließend zur Presse direkt auf dem Stiftsgelände gefahren werden. Die Erntearbeiter stehen in jeder zweiten Reihe mit den Unterschenkeln im Klee. Der wächst dort nicht zufällig, sondern ist zusammen mit den kompostierten ausgepressten Trauben der Dünger, sodass im Sinne der Nachhaltigkeit dem Weingarten nichts hinzugefügt werden muss, was dort nicht ohnehin vorhanden ist – außer natürlich die menschliche Arbeitskraft. Denn die Arbeit für das nächste Jahr beginnt gleich nach dem ersten Frost, wenn der Stock zusammengeschnitten wird, damit er die Energie für den Austrieb im Frühjahr bewahrt.
Vor diesem Hintergrund wird auch das meist stille Gebet des Priesters bei der Gabenbereitung in der Messfeier verständlich: „Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit. Wir bringen diesen Kelch vor dein Angesicht, damit er uns der Kelch des Heiles werde.“ „Der Wein wird hier zum Symbol des Menschen, der dahintersteht“, erläutert Basilius Stiller, Chorherr in Klosterneuburg: „Das ist eine spirituelle Aussage: Wir Menschen legen durch unser Bemühen einen Grundstock. Aber wir sind berufen, Gott mit seiner Gnade in unser Leben treten und unser Tun durch ihn vollständig werden zu lassen.“ Mit den Gaben bringen die Menschen sich selbst vor Gott und möchten gewandelt werden.
In der Bibel wird der Wein meist positiv dargestellt: „Zwar gibt es natürlich Stellen, die vor Rausch und Zügellosigkeit warnen. Im Gros aber erscheint in der Heiligen Schrift der Wein als Geschenk Gottes. Im Psalm 104 heißt es zum Beispiel, dass der Wein das Herz der Menschen erfreut“, sagt Herr Basilius. Berühmt ist auch die biblische Szene, in welcher die Kundschafter des Mose eine Weintraube auf einer von zwei Männern getragenen Stange aus dem Land Kanaan mitbringen (4. Mose 13,23). Die Szene ist auch am Verduner Altar in der Leopoldskapelle im Stift zu sehen. „Für unser Stift ist der Weinbau ein wesentlicher Bestandteil unserer Tradition. Da sind wir heute gut aufgestellt. Wir haben ihn aber auch betrieben, als er keine schwarzen Zahlen geschrieben hat“, sagt Basilius Stiller. „Der Wein ist auch ein kulinarischer Repräsentant unseres Stiftes.“
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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