Wort zum Sonntag
Es regt an, die zeitliche Dimension der Nächstenliebe zu bedenken.
Vater Friedrich III. hat Maximilian den Frankenkönig Chlodwig I. und die Mythenfigur des englischen Königs Artus in Metall gießen lassen. Was hier klar zur „Verstärkung“ seiner Dynastie geschah, kann vielleicht auch jenseits der herrschaftlichen Sonderbarkeit zu denken geben.
Denn auch die Bibel kennt Abstammungslisten. Lukas betont die Abstammung von Jesu Ziehvater Josef aus „dem Haus und dem Geschlecht Davids“ (Lk 2,4) und das für Judenchrist/innen geschriebene Matthäusevangelium listet eine längere Abstammungsliste Jesu auf (Mt 1,1–17), ganz im Sinne von Abstammungslisten des Alten Testaments (im 1. Buch Mose).
Damit erhält das Nachdenken über den Glauben eine zeitliche Dimension. Der Glaube wird von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Das hat auch eine zukunftszugewandte Perspektive: Als „Kinder Gottes“ sind wir auch „Erben“ (Röm 8,17). Der Glaube und das Doppelgebot von der Gottes- und Nächstenliebe haben nicht nur eine horizontale, auf unsere Generation bezogene Perspektive, sondern auch eine vertikale, die in die Vergangenheit reicht und in die Zukunft weist.
Eine persönliche Erbschaft kann man rechtmäßig auch ablehnen. Eine geistige, spirituelle Erbschaft lässt sich dagegen nicht einfach zur Seite räumen. Das gilt einerseits innerhalb der eigenen Familie: Woher komme ich? Was gebe ich meinen Kindern weiter? Es hat andererseits auch eine Bedeutung für das ganze Menschengeschlecht. Angesichts der Verbrechen des NS-Regimes können wir nicht einfach sagen, das habe nichts mit uns zu tun. Was wir erben, ist die Verantwortung, damit umzugehen, insbesondere im Gedenken an die Opfer.
Angesichts der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch die Klimakrise fragen wir uns: Welche Welt geben wir an die nächsten Generationen weiter? Aber auch: Wie wollen wir die Kultur, der wir entstammen, pflegen? Erben heißt nicht nur Genuss, sondern auch Verantwortung. Kaiser Maximilian I., der letztlich nicht in Innsbruck bestattet wurde, beauftragte seine Nachfahr/innen mit der Vollendung seines Grabes in der Hofkirche.
Auch das Gebot „Liebe deinen Nächsten“ umfasst so gesehen nicht nur die Zeitgenoss/innen. Der/die Nächste ist auch die Generation vor mir. Für die Generation nach mir kannte man früher die Fideikomisse: Wer dieses Vermögen bekam, durfte nur die Früchte ernten und musste die Substanz für die nächste Generation erhalten. So wäre die Schöpfung zu sehen: Sie gehört uns nicht. Und so ist es auch mit dem Glauben.
Ob Kaiser Maximilian das so sah, als er sein Grabmal in Auftrag gab? Das wissen wir nicht. Aber er hat etwas errichtet, das auf die Zeit vor ihm verwies und gleichzeitig weiterwirken sollte.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>