Wort zum Sonntag
„Wohnst du hier?“, fragte kürzlich ein Kind Maria Grillnberger während der Führung. „Die Besucher:innen fragen mich das, weil sie sehen, dass ich mich hier wohlfühle“, meint sie.
Grillnberger ist seit 2008 Domführerin und fühlt sich im Dom fast wie zu Hause. Sie findet das Gotteshaus einladend: Es gibt keine Absperrungen, man kann in jede Ecke gehen und schauen.
Viele Führungen durch Österreichs größte Kirche sind in Zusammenarbeit mit dem Team der Domführer:innen entwickelt worden: mit der Taschenlampe im Dunkeln durch den Dom wandeln, Glasfenster näher betrachten, von den Galerien in den Dachstuhl spazieren, die Türmerstube oder die Himmelsstiege erklimmen. Einen Blick von oben über Linz wagen und einmal erleben, wie das ist, wenn einem die ganze Stadt zu Füßen liegt. „Da gibt es viele strahlende Augen und staunende Gesichter!“, erzählt Grillnberger.
Sie macht die Führungen mit Leib und Seele und sagt selbst: „Ja, der Dom ist mein zweites Wohnzimmer.“ Bis zu dreimal wöchentlich führt Grillnberger, die auch Leih-Oma ist und aktiv in der Dompfarre mitarbeitet, Besucher:innengruppen durch den Dom. Sie kennt jeden Winkel, jede geheime Stiege, jede verborgene Ecke von der Krypta bis zum Dachstuhl. „Wenn die Steine schreiben könnten, wären unzählige Geschichten im Dom zu lesen“, meint sie.
Vor knapp 100 Jahren wurde der Dom geweiht und Tausende Menschen besuchten ihn seither: Hier wurde gebetet, geweint, gelacht, Menschen haben zueinander gefunden, sich versöhnt, alle wichtigen Schritte des Lebens von Geburt bis zum Tod wurden bewusst begangen und gefeiert. „Der Dom ist so vielfältig“, findet Grillnberger, genauso bunt wie die Menschen, die ihn besuchen, möchte man ergänzen.
Bei vielen Führungen sind auch Menschen zu Gast, die ohne Bekenntnis sind, einer anderen Religionsgemeinschaft angehören oder sonst kaum mehr den Fuß über die Schwelle eines Kirchenraums bringen. Die neugotische Bischofskirche ist eben auch Kulturgut und Wahrzeichen von Linz.
Grillnberger weiß darum und lässt das in ihre Begrüßung einfließen. Beginn ist immer auf dem Domplatz. Grillnberger: „Ich begrüße Sie alle: mit und ohne Bekenntnis, mit anderen Konfessionen. So wie Sie sind, sind Sie willkommen. Ich möchte Sie jetzt im Dom begleiten und Sie einladen, sich auf eine Reise mitnehmen zu lassen, aus der Sie anders herausgehen werden. Lassen Sie sich ein!“ Über das Turmportal wird die Kirche gemeinsam betreten, denn der Dom ist eine Wegekirche, die man durchschreiten muss. Nur so spürt man die Architektur, den Raum, die Weite. „Viele finden durch die Architektur einen Zugang und können dann mit dieser Kirche etwas anfangen“, ist Grillnbergers Erfahrung.
Vom Turmportal aus betritt man von hinten den „Raum des Staunens“, von hier führt der Weg in die Mitte. Seit der künstlerischen Neugestaltung im Jahr 2017 hat dieser Raum der Mitte an Dichte gewonnen, ist Grillnberger überzeugt: „Hier in der Mitte klingt der Raum. Man ist mit hineingenommen in das große Ganze“.
Besonders spürbar sei das für sie bei Veranstaltungen wie „Raumklang“. „Da sage ich auch immer Danke an die Musiker wie Wolfgang Kreuzhuber, die den Raum über die Musik erleben lassen.“ Ein Gefühl der Dankbarkeit überkommt sie auch, wenn sie die große Handwerkskunst und Detailgenauigkeit sieht, mit der der Dom errichtet und gestaltet wurde: „Was die damals alles geschaffen haben!“, staunt sie.
Von der Mitte ausgehend wird der Dom nun erforscht: Manchmal lässt Grillnberger von der Gruppe ein Gemäldefenster aussuchen, das sie dann erklärt. Der Kapellenkranz mit seinen restaurierten, jetzt strahlenden Mosaiken lockt oder die Krypta mit der Linzer Domkrippe, die im Advent „Wege zur Weihnacht“ eröffnet.
Wer himmelwärts will, steigt von den Innengalerien in 15 Metern Höhe in die Rudigierhalle, dort überrascht die Musica Sacra-Rosette hinter der Rudigierorgel.
Weiter gehtʼs in den Glockenstuhl hinauf zur Türmerstube oder in den Dachstuhl. Beeindruckend ist immer der Weg nach draußen: Die Außengalerien ermöglichen einen Blick auf den Domplatz und auf Linz. Einzigartig – wie der Dom. Nach dem Rundgang in luftiger Höhe geht es zurück zur Bodenstation. „Durch die Mitte verlassen wir Richtung Rudigierportal den Dom. Und fast alle finden, dass der Dom jetzt größer ist als vorher.“ Die Weite des Raumes lässt Platz für jede:n. Besonders hier.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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