Wort zum Sonntag
Die Grabeskirche in der Jerusalemer Altstadt – die Einheimischen nennen sie die Auferstehungskirche – ist die heiligste Stätte der Christenheit. Über steile Stufen erreicht der Besucher den Ort der Kreuzigung Jesu. Pilgergruppen berühren mit der Hand den Felsen, auf den laut Überlieferung das Blut Christi herabfloss. Beim Rückblick auf die wechselvolle Geschichte dieser Stätte erhalten wir den ersten Hinweis beim Evangelisten Johannes, dass der Golgota-Hügel „nahe bei der Stadt lag“ (Joh 19,20). Der Name war eine Flurbezeichnung und meinte einen fünf Meter hohen, schädelförmigen Felshügel für die öffentlichen Hinrichtungen. Jesus wurde nach biblischem Zeugnis auch in unmittelbarer Nähe bestattet (Joh 19, 41–42).
Schon die frühen Christen des ersten Jahrhunderts verehrten das leere Grab als Zeichen ihres Glaubens an den auferstandenen Herrn. Der römische Kaiser Hadrian ließ jedoch 135 nach Christus darüber einen Tempel bauen. Konstantin, der erste christliche Kaiser, ließ den Tempel im vierten Jahrhundert zerstören und eine mächtige Basilika bauen. Die heutige Auferstehungskirche besteht zum größten Teil aus Bauelementen des 12. Jahrhunderts. Die Kreuzfahrer hatten sie auf Überresten der konstantinischen Basilika errichtet. Sie vereinigt Golgota und das Heilige Grab unter einem Dach.
An der Stelle der Grabkammer Jesu steht heute die Heilig-Grab-Ädikula aus dem 19. Jahrhundert. Infolge von Feuchtigkeit und Kerzenrauch hatte die dringende Notwendigkeit bestanden, sie zu verstärken. Das war eine echte Herausforderung für die sechs christlichen Konfessionen, unter deren Obhut die Kirche steht, gleichzeitig aber auch eine einzigartige Gelegenheit zu ergründen, was sich unter dem Bau verbirgt. Die Ingenieurin Antonia Moropoulou, welche die Arbeiten 2016/17 leitete, sprach von einem entscheidenden Moment, da „die modernen Techniken es ermöglichen, unsere Forschungsergebnisse einmal so zu studieren, als würde man sich selbst im Grab Jesu befinden.“ Ein Archäologen-Team stellte mit einem bodendurchdringenden Radar-Test fest, dass hinter der Marmorverkleidung der heutigen Kapelle noch Höhlenwände aus der ursprünglichen Grabanlage vorhanden sind. In die südliche Innenwand des Schreins haben sie ein Fenster geschnitten, damit die Besucher ein Stück davon sehen können. Durch Abnahme der Marmorplatte konnte bei den Arbeiten das ursprüngliche, intakte Kalksteinbett freigelegt werden.
Unter den vielen Räumen der Grabeskirche befindet sich auch die Adamskapelle. Hinter einem Fenster erkennt man dort einen gespaltenen Felsen, der als Hinweis auf das Erdbeben beim Tod Jesu gilt (Mt 27,51). Die Adamskapelle spiegelt aber auch ein Stück frühchristlicher Theologie wider: Hier lokalisierten die Judenchristen das Grab des „Alten Adam“. Während der „Neue Adam“, Christus, auf Golgota starb, rann, so die Vorstellung, sein Blut durch den Felsspalt hinab auf den Totenschädel unseres Stammvaters und erlöste damit das ganze Menschengeschlecht. Die Flurbezeichnung Schädelstätte hatte so eine symbolisch-theologische Bedeutung gewonnen. «
Der Autor
Der deutsche Theologe Dr. Karl-Heinz Fleckenstein lebt seit 1981 in Jerusalem und absolvierte dort eine zusätzliche Fachausbildung für Biblische Theologie und Christliche Archäologie. Er schreibt Bücher und führt mit seiner Frau Louisa Pilger durch das Heilige Land.
Letzte Bucherscheinungen: „Berge im Land der Bibel. Wo Himmel und Erde sich berühren“ (Be&Be Verlag); „Glaube macht uns stärker – Reportagen“ (Verlag Butzon & Bercker)
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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