Wort zum Sonntag
Die Suche nach dem Ursprung aller Wirklichkeit, nach der verborgenen Macht in der Geschichte und dem letzten Ziel bewegte die Menschen von dem Augenblick an, da sie sich ihrer selbst, der Zeit und damit des Todes bewusst wurden. Dann setzte ein Fragen und der Prozess der Neugierde ein, der bis heute anhält. Moses drückt die Sehnsucht Israels, ja aller Menschen aus, wenn er den HERRN bittet: „Lass mich doch deine Herrlichkeit schauen!“ (Exodus 33,18). Doch das ist aus Barmherzigkeit nicht möglich. Nur der Rücken war zu sehen, der Name jedoch war ausgerufen. Der „Ich bin, der ich bin“ hatte seine wehrlose Liebe zu Israel schon mit dem Propheten Hosea bekannt (Hosea 11). Allen Menschen sei er nahe (Psalm 8,5), weil er alles liebe, was er geschaffen hat (Weisheit 11,22–26). Das Leben Israels im Bund war geprägt von einer Verheißung auf Land, Nachkommenschaft und Segen (Genesis 12,1–3).
Alle Schriften des Neuen Testaments bezeugen, dass der HERR alle seine Verheißungen in Leben, Handeln, Tod und Auferstehung Jesu von Nazareth eingelöst habe. Die Evangelien berichten, dass die Menschen über Jesu Tun und Reden außer sich waren. Sie gaben ihm Titel aus der Glaubenstradition: Rabbi, Messias, Sohn Gottes, Menschensohn oder der Heilige Gottes. An einigen Stellen bricht schon in der ersten Generation die Überzeugung durch, dass in der Gestalt Jesu Christi Gott selbst unüberbietbar in der Geschichte gehandelt habe und im erhöhten und auferstandenen Christus den Glaubenden, ja aller Schöpfung nahe bleibt (Römerbrief 1,36). Dieser Jesus Christus sei das Bild des unsichtbaren Gottes (Kolosserbrief 1,15). Er sei der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens (Hebräerbrief 1,3).
Die Alte Kirche hat in einem langen Weg mit allen Höhen und Tiefen in Nizäa (325), in Chalkedon (451) und im dritten Konzil von Konstantinopel (680–681) diese Formel gefunden, ausgelegt und in ihrer Beschränktheit erkannt: Der eine Jesus Christus sei „wahrer Mensch und wahrer Gott“, eine Person in zwei Naturen!
Wahrer Mensch! In allem uns gleich: Was heißt also Person? Gedächtnis, Verstand, Wille und Freiheit! Aber auch Erfahrungen der Angst, der Ratlosigkeit und der ganz eigenen Suche nach dem konkreten Willen Gottes auf dem Weg des Gehorsams. Aber: In allem uns gleich, außer der Sünde. Daher kein Kreisen um sich selbst. Der Mensch für andere, weil ganz und gar auf den Vater ausgerichtet und in ihm verwurzelt, bis in die Entleerung (Philipperbrief) und die Gottverlassenheit (Markus 15,34) hinein.
Ganz Gott! Mehr als sich selber zu schenken, ihre unbedingte Liebe zur Schöpfung in der Wehrlosigkeit der ausgebreiteten Arme am Kreuz und des zerrissenen Herzens Jesu in unsere Geschichte unwiderruflich einzugravieren, geht nicht. Adam hatte sich vor Gott versteckt, aus Angst (Genesis 3,8–10). Was hätte der Schöpfer anderes tun können, als in seinem fleischgewordenen Wort sich nackt und bloß uns auszusetzen: In der Krippe und am Kreuz. Gott hat alles in Jesus Christus uns geschenkt und wirbt durch die Kraft des Geistes unablässig um uns.
Selbstüberschreitung und Hingabe von beiden Seiten: Dann begegnen sich Gott und Mensch in der Liebe, weil der Mensch seine Vollendung findet, je näher und einiger er mit dem Gott der dreifaltigen Liebe wird. Und wie kann ich diese schönen Worte in meinem Alltag erfahren? Probiere es mit Lukas 10,25–37 und antworte auf alle Ereignisse des Lebens mit der je größeren Liebe.
Suche nach dem fruchtbaren Kern
Teil 5 von 5
Jesus Christus, Gott und Mensch
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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