KOMMENTAR_
Eine Frauenquote für kirchliche Leitungsfunktionen, sofortige Zulassung von Diakoninnen und Viri probati, "Reformulierung" der katholischen Sexualmoral und Geschlechterordnung sowie Dialog mit Frauen in der Kirche ähnlich dem deutschen synodalen Weg: Für diese weitreichenden Reformschritte hat sich die Salzburger Moraltheologin Angelika Walser auf der theologischen Feuilleton-Website feinschwarz.net ausgesprochen. Blieben diese aus aus, werde "die katholische Kirche in Österreich in nur wenigen Jahrzehnten von der Bildfläche der Gesellschaft verschwunden" und nur mehr einige "linientreue" Randgruppen übrig sein, prognostizierte die Professorin an der Universität Salzburg.
Walser war eine von 50 engagierten Katholikinnen aus Österreich, die zwischen Ostern und Pfingsten 2019 in dem "bleiben.erheben.wandeln" betitelten Blog ähnliche Forderungen erhoben und "Geschlechtergerechtigkeit" in der Kirche urgierten. Frucht dieser Initiative ist das soeben im Patmos-Verlag erschienene Buch "Frauen machen Kirche". Sie habe nach dem Blog Hunderte Zuschriften von - "durchwegs ehren- oder hauptamtlich hoch engagierten" - Frauen und auch Männern erhalten, die ihren Unmut über Missstände in der Kirche äußern. Betagte Kirchgeher, die durch Missbrauchsfälle in ihrer Loyalität und in ihrem Glaube erschüttert wurden, seien ebenso dabei gewesen wie junge Frauen, die sich nach dem Kirchenaustritt als Ritualbegleiterin selbstständig machten oder Klagen darüber, dass ein Pfarrer Sterbenden seinen Beistand verweigere, weil sie als Eltern ausgetretener Kinder "versagt" hätten.
"Unter dem Eindruck dieser und Hunderter weitere Zuschriften wächst meine Besorgnis über den Zustand dieser meiner katholischen Kirche ins Grenzenlose", schrieb Walser. Seit Jahrzehnten verließen Distanzierte und auch Gläubige die Kirche, "ihr Engagement und ihr Intellekt fehlen der Kirche bis heute überall". Jedoch: Angemessene Reaktionen der Kirchenverantwortlichen blieben aus. Von den Strukturreformen, die unter Berufung auf das Zweite Vatikanum seit Jahrzehnten gefordert wurden, sei "wenig bis gar nichts umgesetzt" worden. "Unendliche Krisensitzungen" hätten allerorten das notwendige Handeln ersetzt, beklagte die Theologieprofessorin. Man bestärke sich gegenseitig in "schweigender Lethargie, ohnmächtiger und lähmender Depression sowie Angst vor jeder Bewegung in gleich welche Richtung".
Jesus habe nicht den Katechismus verkündet, wies Walser hin: "Er hat Menschen in ihrer Not berührt und geheilt und angenommen. So wie sie sind." Die Theologin wolle die Verantwortlichen der katholischen Kirche Österreichs - "Priester wie Laien, aber vor allem die Bischöfe" - an ihre Verantwortung für den Glauben und die Menschen erinnern. "Dies tun zu müssen, ist mir unangenehm und peinlich, aber ich halte es für meine Pflicht als Theologin und als gläubige Katholikin." Und sie wolle sich nicht eines Tages vorwerfen lassen, zu all dem geschwiegen zu haben.
"Dialog auf Augenhöhe mit uns Frauen"
Vor diesem Hintergrund forderte Walser "einen öffentlichen, strukturierten und für alle Interessierten transparenten Dialog auf Augenhöhe mit uns Frauen der katholischen Kirche, ähnlich dem deutschen synodalen Weg". Ergebnisse seien nach einem genau definierten Zeitplan in die Tat umzusetzen. In diesen Prozess müsse die gesamte Bandbreite theologischer Erkenntnisse und Forschung eingebunden werden - gerade auch die "sträflich missachtete" Expertise vermeintlich "zu liberaler" Wissenschafterinnen.
Weiters forderte Walser eine Frauenquote für Leitungsfunktionen in Diözesen und Gemeinden sowie die sofortige Zulassung von Frauen zu Diakoninnen und von Viri probati. Die Ausbildung des Klerus in Österreich gelte es umgehend auf neue Füße zu stellen und junge Männer "aus den verlassenen Elfenbeintürmen der Priesterseminare hinaus zum Dienst an dieser Welt zu entsenden".
Und schließlich forderte Walser von ihren Adressaten den "Einsatz für eine dringend notwendige Überarbeitung und Reformulierung der katholischen Sexualmoral und Geschlechterordnung in Rom auf der Basis humanwissenschaftlicher Erkenntnisse".
Die Theologin appellierte an alle, die ehren- oder hauptamtlich in der Kirche tätig sind, auf, "mutig zu handeln. Wenn es sein muss, in Eigeninitiative und unter Berufung auf das eigene Gewissen". Die Zeit sei "abgelaufen, es wurde lange genug diskutiert. Tun wir jetzt endlich etwas." (Link: www.feinschwarz.net/das-letzte-aufgebot)
KOMMENTAR_
DENK_WÜRDIG
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>
BRIEF_KASTEN