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Nach der Chorprobe saßen wir beisammen und eine unserer Sängerinnen hatte Knabbergebäck mitgebracht, frisch gebacken am Nachmittag. Es bestand aus verschiedenen Sämereien und erinnerte an Knäckebrot. Alle kosteten fleißig und schon erscholl der Ruf: Schickst du uns das Rezept?!
In der Ortsbibliothek sind die Zeitschriften mit Kochrezepten sehr gefragt. Das ist interessant, denn schließlich bietet auch das Internet die Möglichkeit, sich jederzeit und in großer Vielfalt Rezepte zu verschaffen.
Wie macht man das, was so gut schmeckt? Man will schließlich die guten Sachen nicht verderben, also hält man sich an Rezepte und nimmt so teil an den Erfahrungen, die andere gemacht haben. „Rezeptfrei“ wäre beim Kochen für Ungeübte eine gewagte Angelegenheit.
Schon gemachte Erfahrungen anderer zu nutzen – das wäre nicht nur beim Kochen ratsam. Wenn es aber um Politik und andere Angelegenheiten des Zusammenlebens geht, halten Menschen oft wenig von bewährten Rezepten. Sie verlassen sich lieber auf solche, nach denen noch nie gekocht worden ist, oder gar auf solche, bei denen die Sache schon einmal schiefgegangen ist.
Der Nationalismus als Rezept für eigenen Wohlstand zum Beispiel ist ein solches gefährliches Rezept. Oder: Wer hätte gedacht, dass Praktiken vergangener Jahrhunderte, in denen andere Völker bedenkenlos ausgebeutet wurden, in neuer Form Anwendung finden?
Beim Kochen würde man nie so unvorsichtig sein. Man muss die Suppe schließlich selber auslöffeln. Im Politischen müssen es andere auch.
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