KOMMENTAR_
Warum sind Sie Religionslehrer geworden?
Gerhard Weißhäupl: Ich war Mitglied der Katholischen Jugend-Land in meiner Pfarre St. Georgen an der Gusen und habe in diesem Umfeld vom Kinderglauben zu einem erwachsenen Glauben gefunden. In dieser Zeit habe ich dann selbst eine Jugendgruppe geleitet. Durch die Beziehung zum damaligen Kaplan und Pastoralassistenten wurde mein Interesse am Theologiestudium geweckt. Ich begann vorerst ohne konkretes Berufsziel Theologie zu studieren und bin drei Jahrzehnte später nach wie vor der Überzeugung, dass es die richtige Entscheidung war.
Seit dem Unterrichtspraktikum 1997/1998 bin ich als Religionslehrer tätig, seit 2000 am BORG Honauerstraße in Linz, mit einer Unterbrechung von drei Jahren.
Warum die Unterbrechung?
Weißhäupl: In dieser Zeit habe ich hauptberuflich die Religionslehrer:innenfortbildung an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz geleitet. Von 2018 bis 2021, nachdem ich bereits seit 2012 in der Fortbildung mitgearbeitet habe. Dann bin ich wieder zurück an das BORG, weil mir die Arbeit mit den jungen Leuten gefehlt hat, die Vielfalt und Buntheit der Themen und dass ich Wegbegleiter sein darf.
Jetzt bin ich mit rund einem Viertel meiner Arbeitszeit in der Religionslehrer:innenausbildung, aber den überwiegenden Teil stehe ich in der Klasse, weil es mir einfach sehr viel Freude bereitet. Es ist für mich nicht nur ein Beruf, sondern auch eine Berufung, wie mir das ein Schüler einmal auch rückgemeldet hat.
Was möchten Sie erreichen, wenn Sie in eine Schulklasse gehen?
Weißhäupl: Wichtig ist mir, mit den Schülerinnen und Schülern eine Beziehung aufzubauen. Der Religionsunterricht ist ohne diese Dimension nicht möglich. Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber sagt: Alles wirkliche Leben ist Begegnung. Als Religionslehrer sehe ich die Bedeutung der Beziehung bereits in der Theologie grundgelegt. Gott tritt mit uns Menschen in Beziehung. Das ist der Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens.
Und wenn Sie auf die Inhalte des Religionsunterrichts schauen?
Weißhäupl: Ich möchte mit den Schüler:innen über die Inhalte des Glaubens so ins Gespräch kommen, dass in ihnen etwas zum Schwingen kommt.Inhalte, Symbole und Sprache des Glaubens sollen den jungen Menschen helfen, ihr eigenes Leben und unsere Welt zu verstehen und sie den Mehrwert erkennen lassen, den der Glaube für ein gelingendes Leben hat. Die Schüler:innen sollen sehen, dass Glaube und Vernunft kein Widerspruch sind.
Warum besuchen eigentlich viele Schüler:innen den Religionsunterricht, obwohl die allerwenigsten religiös praktizierend sind?
Weißhäupl: Die Frage nach Gott ist eine Menschheitsfrage, ebenso wie die Erfahrung des Leids. Ich erlebe, dass die Jugendlichen diese Fragen beschäftigen. Voraussetzung an der Teilnahme am Religionsunterricht ist also nicht, dass man gläubig, sondern offen ist.
Es haben schon Schüler:innen bei mir maturiert, die sich selbst als atheistisch bezeichnet haben. Es geht auch im konfessionellen Religionsunterricht nicht um das Missionieren, sondern darum, mit den Schüler:innen Spuren zu Gott zu finden.
Von kirchlich-konservativer Seite wird oft kritisiert, dass die Jugendlichen nach neun oder gar dreizehn Jahren Religionsunterricht nichts über ihren Glauben wissen, die zehn Gebote nicht kennen, etc. Wie ist das in Ihrem Unterricht?
Weißhäupl: Wer so den Religionsunterricht kritisiert, hat wenig Ahnung, wie Religionsunterricht heute aussieht. Wenn man bloß abprüfbares Wissen fordert, würde man zum Auswendiglernen von Formeln kommen. Genau das ist aber der Religionsunterricht nicht. Es stimmt natürlich: Obwohl die jungen Leute getauft und gefirmt sind, haben sie wenig Ahnung von den Inhalten des Glaubens. Das sehe ich aber auch als Chance. Religionsunterricht heißt den Glauben aufschließen. Zuallererst bin ich als Religionslehrer selber Inhalt meines Fachs: An mir als Person können die Schüler:innen ablesen, was es heißt, Christ zu sein. Ich kann nur sagen: Die Oberstufenschüler:innen lernen viel über den christlichen Glauben, über Ethik und auch über soziale Themen.
Man kann die Perspektive auch umdrehen und nicht bloß fragen, was die Kirche den jungen Menschen geben kann, sondern umgekehrt: Was kann die Kirche von den Schüler:innen lernen?
Weißhäupl: Ich erlebe zum Beispiel, dass die Schüler:innen ein ausgesprochenes Gespür für Gerechtigkeit haben. So können die meisten nicht verstehen, dass es in der Kirche keine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gibt.
Was sagen Sie darauf?
Weißhäupl: Ich versuche zu differenzieren. Zum einen gebe ich ihnen recht, was die Weiheämter betrifft. Zum anderen weise ich auf das Frauenförderungsprogramm der Diözese Linz hin, das es seit den 1990er Jahren gibt.
Seit kurzem gibt es den verpflichtenden Ethikunterricht. Ist der Religionsunterricht dadurch leichter geworden?
Weißhäupl: Ja, ich brauche nicht mehr mit einer Freistunde konkurrieren. Nein, weil ich mich umso mehr um einen interessanten und qualitätsvollen Unterricht bemühen muss. Ich verlange natürlich von meinen Schüler:innen etwas, es gibt viel Inhalt, auch Stundenwiederholungen und Tests. Religion ist schließlich auch ein Maturafach. Der Religionsunterricht wird wie jedes andere Fach im Stundenplan behandelt und nicht irgendwo in den Nachmittag geschoben. Das schätze ich sehr. An meiner Schule herrschen faire und korrekte Rahmenbedingungen. Da bin ich sehr dankbar.
Am 22. September um 12 Uhr findet die Ökumenische Wallfahrt der Maturant:innen aus ganz Oberösterreich in den Linzer Mariendom statt.
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