KOMMENTAR_
Zu meinem 35-jährigen Maturajubiläum habe ich mir die diesjährigen Aufgaben im Fach Mathematik angeschaut – und war schockiert, dass ich bei vielen nicht mal wusste, worum es da überhaupt geht. Ich hätte vielleicht fünf Prozent der Aufgaben lösen können. Schon schräg, wie sehr unser Gehirn das vergisst, was man nicht verwendet. Aber auch irgendwie frustrierend. Wofür habe ich das alles gelernt?
Neugierig schnupperte ich auch bei den Matura-Aufgaben für Altgriechisch hinein. Diese „tote Sprache“ lernte ich nicht in der Schule, sondern an der Uni im Zuge meines Theologiestudiums. Wir lernten Koine, die griechische Sprache des Neuen Testaments. In der Schule wird das Griechisch der Philosoph:innen mehrere Jahrhunderte vorher unterrichtet, welches etwas komplexer ist. Ich könnte mich trösten, dass es daran liegt: Aber realistisch ging es mir mit Altgriechisch nur ein kleines bisschen besser als mit Mathematik. Was man nicht regelmäßig braucht, vergisst man leider allzu schnell.
Und doch gibt es einen Unterschied, einen Riesenunterschied: Das Erlernen der altgriechischen Sprache hat mir vertiefte Zugänge zur abendländischen Denktradition eröffnet. Der Philosoph Whitehead nannte alle europäische Philosophie „Fußnoten zu Platon“. Sprachenlernen ist nun mal „Kulturlernen“. Daran erfreue ich mich noch heute.
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