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245.000 Besucher/innen, 1500 Filmgäste und 415 Weltpremieren seit 2004 belegen mit Nachdruck die regionale und internationale Resonanz der von Christine Dollhofer mutig programmierten Filmschau. Die Ausgewogenheit in der Auswahl beweist auch heuer schon der Eröffnungsabend, der einen passenden Vorgeschmack auf 170 Filme aus 30 europäischen Ländern verspricht.
Mit der Weltpremiere von „The European Grandma Project“, einem von der Linzer Filmemacherin Alenka Maly initiierten Omnibusfilm, werden große Erwartungen verknüpft. 2015 startete Maly unter dem Motto „Grandmothers telling their versions of European history“ einen europaweiten Aufruf, dem acht Filmemacherinnen aus Israel, Griechenland, Italien, Island, Bulgarien, Russland, England und der Türkei folgten, die ihre zwischen 1920 und 1935 geborenen Großmütter porträtierten. Die bisher gesichteten Sequenzen des Films wirken sehr überzeugend: Frauen aus verschiedenen sozialen Milieus und Kulturen breiten vor ihren Enkelinnen ihre privaten (nicht immer schönen) Lebenserfahrungen aus, die gleichermaßen ein Panorama europäischer Geschichte des 20. Jahrhunderts formen. Vergangenes wird so gegenwärtig, Lebensweisheit, auch wenn das heute in gewissen ökonomischen Zirkeln nicht so gesehen wird, ist ein unschätzbarer Wert.
Von großer Brisanz ist auch der neue Film von Kornél Mundruczó, der die Sektion „European Panorama Fiction“ eröffnet. „Jupiter’s Moon“ gewinnt durch den Erdrutschsieg von Viktor Orbán in Ungarn an Relevanz. In einem eigenwilligen Mix aus Sozialstudie und Fantasyfilm verfolgt der Film die Erlebnisse eines jungen syrischen Flüchtlings in Ungarn, der sich wegen seiner speziellen Fähigkeit, wie ein Engel durch die Luft schweben zu können, aus schwierigen Situationen befreien kann, gleichzeitig aber auch von einem frustrierten Arzt ökonomisch ausgebeutet wird. Dass
Abschottung keine dauerhafte Lösung ist, thematisiert David Freyne in seinem ungewöhnlichen Zombie-Film „The Cured“, dem Eröffnungsfilm der Sektion „Nachtsicht“. Im Zentrum steht die Frage, wie man von einem Virus infizierte blutrünstige Zombies wieder in die Gesellschaft integrieren kann.
Das „Spotlight“ ist heuer der rumänischen Filmproduzentin Ada Solomon gewidmet. Ihr aktuelles Projekt, das Spielfilmdebüt von Ivana Mladenovic, „Soldiers. A Story from Ferentari“, wird auch im Spielfilm-Wettbewerb gezeigt. Der Film erzählt die Liebesgeschichte zwischen einem Anthropologen aus bürgerlichen Kreisen und einem Ex-Häftling aus der Roma-Gemeinde des ärmsten Viertels Bukarests. Zwei Welten stoßen aufeinander, die sich anziehen, aber auch abstoßen. Vom Anderssein in schwierigen Umständen handelt „Silvana“, das von Mika Gustafson, Olivia Kastebring und Christina Tsiobanelis gestaltete Porträt der schwedischen Rapperin Silvana Imam, das den Dokumentarfilm-Wettbewerb eröffnet. Die Underground-Ikone mit Migrationshintergrund (syrischer Vater, litauische Mutter) ist eine wichtige Identifikationsfigur für die feministische und antirassistische Bewegung in Schweden, die, wie der Film zeigt, mit dieser Rollenzuordnung Probleme bekommt und ihr Image verändert. Silvana Imam wird nach dem Film ein Konzert geben. Exemplarisch für das Festival ist der Abschlussfilm von Christian Petzold, die Adaption des Migrationsromans „Transit“ von Anna Seghers. Petzold verschmilzt darin die in den 1940er-Jahren verortete Geschichte mit der Situation im gegenwärtigen Marseille. – „Crossing Europe“ bietet nun die Möglichkeit eine Reise durch die europäische Filmlandschaft zu machen, wie man sie in dieser Verdichtung kaum wo angeboten bekommt.
FESTIVALZENTRUM im OÖ Kulturquartier, OK-Platz 1, 4020 Linz, www.crossingeurope.at
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