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Aus dem familiären Umfeld und den Kinderjahren einer Person lässt sich nicht linear auf deren Handeln als Erwachsener schließen, aber bedenkenswert sind die Kinder- und Jugendzeit eines Menschen allemal, um ihn zu verstehen. Unter dieser Voraussetzung blickt die Schau, die für das Haus der Geschichte in St. Pölten gestaltet und nun in Linz adaptiert gezeigt wird, auf die ersten 25 Lebensjahre von Adolf Hitler. Die Ausstellung erzählt ausführlich die einzelnen Stationen von Hitlers Leben. Gleichzeitig stellt sie diese in die gesellschaftlichen Strömungen, die ihn und seine Zeitgenossen vor 1914 geprägt haben: politische Radikalisierung, Rassismus, Antisemitismus und Militarismus. In diesen Bereich gehören Objekte aus dem Nachlass des deutschnationalen Parteigründers Georg Ritter von Schönerer, der den Hass auf die Slawen und den Anitisemitismus zu Säulen seiner Politik gemacht hat. Er gilt als politisches Leitbild für Adolf Hitler. Gleichzeitig ist die Gesellschaft von Kriegsverherrlichung geprägt, gegen die die pazifistischen Bewegungen bedeutungslos bleiben. Die Ausstellung unterstreicht auch Fakten aus der Biografie Hitlers, die dieser selbst gerne umgedeutet hat. So kommt Hitler aus keinem armen Elternhaus, sein Vater verdient mehr als ein Volksschuldirektor. Als Hitler nach dem Tod der Mutter 1908 endgültig nach Wien aufbricht, ermöglichen ihm seine Waisenrente und ein Darlehen seiner Tante anfänglich ein unbeschwertes Leben. Anstatt dann ernsthaft für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten überbrückt er die Zeit unter anderem mit dem Malen von Postkarten, bis er an das Erbe des Vaters kommt. Der oft mit Bedeutung aufgeladene Geburtsort Braunau spielt in Adolf Hitlers Biografie tatsächlich keine Rolle, betonen die Ausstellungsmacher, wirklich wichtig sind die Jahre in Linz. Trotz interessanter Erklärungen und Hintergründe, die die Ausstellung zeigt, bleibt offen, wie aus dem Eigenbrötler und Sonderling Hitler nach dem Ersten Weltkrieg innerhalb eines Jahrzehnts der Führer und Reichskanzler wird. Diese Frage letztlich unbeantwortet zu lassen, macht die Qualität der Schau aus.
Nordico – Linz. Die Ausstellung „Der junge Hitler. Prägende Jahre eines Diktators 1889–1914“ ist im Nordico (Stadtmuseum Linz) von 15. April bis 15. August 2021 zu sehen. Die Schau ist eine Koproduktion mit dem Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich (St. Pölten). Öffnungszeiten: Di.–So., 10–18 Uhr; Do. 10–19 Uhr
www.nordico.at
Hintergrund. Hannes Leidinger und Christian Rapp haben mit „Hitler – prägende Jahre. Kindheit und Jugend 1889–1914“ einen umfangreichen Begleitband zur Ausstellung verfasst. Die Autoren schließen eine Lücke der Geschichtsforschung: Jenseits psychologischer Spekulationen stellen sie Hitlers Familie, Kindheit und Jugend im sozialen Kontext dar.
Residenz Verlag, Salzburg–Wien 2020, 256 Seiten, € 24,–.
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