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Auf dem Foto ist Anja zehn Jahre alt. Sie steht vor dem Elefantengehege im Zürcher Zoo und lacht. Anja war erst wenige Wochen alt, als ihr Vater, der Schauspieler und Regisseur Leonard Steckel, 1933 in Berlin verhaftet wurde. Er konnte in die Schweiz flüchten. Hier wartete schon seine Frau, die Tänzerin und Schriftstellerin Jo Mihaly, mit Tochter Anja auf ihn. – So wie Leonard Steckel wurden viele Kunstschaffende vom nationalsozialistischen Regime verfolgt, weil sie jüdischer Herkunft oder bekennend antifaschistisch waren. Sie gingen mit ihren Familien in die Schweiz oder nach Frankreich, in die USA, nach Moskau, England und Mexiko. Neun beispielhafte Exil-Geschichten sind nun aus der Perspektive der Kinder von Bertold Brecht, Anna Seghers oder Alfred Kerr in einer Ausstellung in Linz zu sehen.
„Die Kinder wollten lange nicht über sich reden, sondern nur über ihre berühmten Eltern“, sagt Gesine Bey bei der Ausstellungseröffnung in der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese. Die Kuratorin hat 21 Archive in der Berliner Akademie der Künste gesichtet. Daraus ist die Ausstellung „Kinder im Exil“ entstanden. In kurzen Texten und persönlichen Fotos wird die Flucht skizziert, die die Kinder manchmal ohne die Eltern erlebten, das Leben im zuerst noch fremden Land, die Träume der Kinder und ihre Ängste. „Mehrmals wurde ich, gegen meinen Willen, vorweg in Sicherheit gebracht. Ob, wann und wo wir uns wiedersehen würden, war damals niemals sicher“, schrieb George Wyland-Herzfelde in seinen Erinnerungen. Der Sohn von Gertrud und Wielande Herzfelde, Direktor des Malik-Verlags, emigrierte mit seiner Familie von Berlin über Umwege nach New York.
In der Ausstellung sind auch Fotos und Filme aus dem Jahr 2016 zu sehen. Sie dokumentieren ein Vermittlungsprogramm, bei dem Kunstschaffende in Berlin mit Kindern und Jugendlichen zum Thema „Exil“ arbeiteten. „Bei der Präsentation des Konzepts im September 2015 hatte uns die Wirklichkeit schon eingeholt“, sagt Gesine Bey mit Blick auf die vielen Geflüchteten, die 2015 nach Österreich und Deutschland kamen.
Anja Steckels Kinder- und Jugendjahre waren von der Arbeit ihrer Eltern am Zürcher Schauspielhaus geprägt. Später wurde sie unter dem Namen Anja Ott Schauspielerin und lebte zuletzt im bayerischen Prien am Chiemsee. Sie wurde 78 Jahre alt.
„Kinder im Exil“, Linz, Salesianumweg 3, zu sehen bis 5. Juni, werktags 9 bis 16 Uhr. Führung nach Vereinbarung: Tel. 0664/407 08 98.
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