Lesen Sie alle Beiträge zum Schwerpunkt Brucknerjahr 2024
Mit welchen Erwartungen sind Sie nach Hamburg zur Elbphilharmonie gefahren?
Josef Habringer: Ich hab schon sehr viel gehört von diesem Konzerthaus. Als ich gelesen habe, dass eine Fahrt mit der KirchenZeitung geplant ist, habe ich mir gedacht, das muss ich mir unbedingt anschauen. Die Erwartungen waren hoch – und ich bin total begeistert. In mehrfacher Hinsicht: Die Lage ist wunderschön. Und wie der Neubau in die ganze Speicherstadt integriert ist, das finde ich toll. Was auffällig ist: Es ist nicht nur ein Konzerthaus, sondern auch ein Aussichtsturm, von dem aus man über die ganze Stadt sieht und den man neben dem Konzertbetrieb besuchen kann – das finde ich sehr schön.
Was gefällt Ihnen an der Elbphilharmonie besonders?
Habringer: Die Architektur, die Verbindung von Alt und Neu, ist sehr beeindruckend. Hier wurde mit der Raumausnutzung sehr großzügig umgegangen. Funktionalität und Ästhetik gehen Hand in Hand, und dann kommt noch die tolle Akustik dazu. Auch der Innenraum, der Konzertsaal mit der Anordnung der Ränge, gefällt mir. Dass man von jedem Punkt aus hervorragend hört und sieht, das ist sehr beeindruckend. Die Akustik ist sehr durchsichtig und nicht übermäßig laut. Wir sind ganz oben gesessen, der Klang war sehr klar und differenziert.
Die Klassik wird immer wieder totgesagt. Können Orte wie die Elbphilharmonie ein „Zugpferd“ für die klassische Musik sein?
Habringer: Ich hoffe und glaube schon. Meine Erfarung ist, dass viele hier das erste Mal mit klassischer Musik in Berührung kommen und überrascht sind, wie schön das ist und welche Kraft dahintersteckt.
Welche Erfahrungen machen Sie als Domkapellmeister mit Raum und Musik im Mariendom?
Habringer: Seit es den Umbau gibt, kommen sehr viele Leute in den Dom, und zwar nicht so sehr, weil sie jetzt Liturgie feiern oder Beten wollen, sondern weil sie gehört haben, da ist etwas neu gestaltet worden. Sie kommen in den Dom und sind plötzlich von dem, was sie da sehen und erleben, überwältigt. Darum halte ich es auch im kirchlichen Bereich für so wichtig, die Räume offen zu halten und dort etwas anzubieten, was bleibend ist. Musik löst etwas bei den Menschen aus: ob das der Raum, das Licht oder die architektonischen Veränderungen sind. Irgendetwas wird im Menschen angesprochen. Ich hoffe, dass über die Schiene der Musik oder das Angesprochensein, von dem, was Religion ist, und von dem, was wir als Kirche anzubieten haben, dass das zum Tragen kommt.
Die Kosten für Kultur sind immer wieder ein Thema, und damit verbunden ist die Frage: Braucht man das wirklich?
Habringer: Es gibt Orte auf der Welt, wo man mit offenem Mund dasteht. Das sind zum Teil „natürliche“ Orte, wo die Natur beeindruckend ist – und Orte, die von Menschenhand gemacht sind. Hier wird sofort gefragt: „Wozu brauchen wir das und was kostet das?“ Ich halte es für ganz wichtig, dass man das überwindet. Ich sehe das als große Gefahr: Gerade in unserer Zeit steht die Funktionalität so im Vordergrund, dass die Ästhetik oft zweitrangig ist. Wenn man in jeder Stadt nur nach Funktionalität geht und in den Stadteinfahrten nur die Shopping-Zentren stehen, die alle gleich ausschauen, dann halte ich das für eine Katastrophe. Das, was Menschen wirklich beeindruckt, sind Dinge, die im Lauf der Zeit erschaffen worden sind und wo man langfristig viel investiert hat, nicht nur in das Funktionale, sondern auch in das Ästhetische und Kulturelle. Die Frage, was das kostete, war auch bei den Einwohnern in Hamburg da. Aber wenn man schaut, was Hamburg jetzt für einen Zustrom an Besuchern hat wegen der Elbphilharmonie, dann ist das unbezahlbar!
Soziales und Kultur werden oft gegeneinander ausgespielt. Was sagen Sie dazu?
Habringer: Ich halte es für wichtig, dass es Orte gibt, die außergewöhnlich sind und die uns aus unserer Banalität und der Alltäglichkeit herausholen. Warum fahren wir an Orte, die schön sind? Warum gehen wir in ein Museum oder in ein Konzert?
In dem Augenblick, in dem für Kultur Geld in die Hand genommen wird, wird auch im kirchlichen Bereich sehr oft argumentiert, man könnte doch sozial so viel damit machen. Ich stehe auf dem Standpunkt, eine Gesellschaft, die auf die Kultur vergisst und dort nichts mehr investiert, die ist sozial sehr schnell am Ende. Da wird man barbarisch, wenn es diese Sensibilität im Umgang miteinander nicht mehr gibt.
Ich denke, dass kulturelle Menschen auch soziale Menschen sind. „Kultur kostet Geld, aber die Unkultur kostet noch mehr“ – das Zitat von Altlandeshauptmann Josef Pühringer gilt noch immer.
Die Elbphilharmonie
Das Konzerthaus an der Elbe wurde nach zehn Jahren Bauzeit eröffnet. Denkmalgeschützte alte Substanz und ein Neubau mit Konzertsälen, Aussichtsturm, Hotel und Wohnungen sind das neue Wahrzeichen Deutschlands. Kosten: 866 Millionen Euro.
Lesen Sie alle Beiträge zum Schwerpunkt Brucknerjahr 2024
BÜCHER_FILME_MUSIK
KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>
MEIST_GELESEN