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Im tosenden Wildwasser stürzt ein Langboot die gefürchteten Kaskaden des Weißen Flusses hinab. Fünf Menschen ertrinken. „Der Fallmeister“, ein in den Uferdörfern geachteter Schleusenwärter, hätte dieses Unglück verhindern müssen. Als er ein Jahr nach der Katastrophe verschwindet, beginnt sein Sohn zu zweifeln: War sein jähzorniger, von der Vergangenheit besessener Vater ein Mörder? Der Roman ist aber längst nicht nur eine, sprachlich hervorragend erzählte, tragische Vater-Sohn-Geschichte. Es geht viel mehr um den Kampf um Lebensgrundlagen, allen voran um das Wasser. Der im oberösterreichischen Zentralraum geborene Ransmayr zeichnet ein düsteres Bild der weltpolitischen Verfasstheit, ein Bild menschlicher Hybris und Schuld und der Hoffnung auf Vergebung. „Ransmayrs Roman ist ein wütendes, pathetisches Manifest gegen den Wahnsinn der Welt“, meint Ingeborg Waldinger in der Wiener Zeitung. Das ist es.
Christoph Ransmayr, Der Fallmeister. Eine kurze Geschichte vom Töten, Frankfurt a. M.: S. Fischer 2021, 224 S., € 22,70.
„Wir alle wissen sowieso nie etwas Näheres, bis es zu spät ist. Dann stehen wir vor den Scherben und bereuen, was wir getan haben. Doch das hilft uns auch nicht weiter.“ Diese Erkenntnis formuliert der Künstler Andreas Bogner, der die Schusswaffe seines Schwiegervaters nur zeichnen wollte, gegenüber seinem Psychiater. Bogner bekommt nicht die Anerkennung, die er bräuchte. Vielmehr wird er von einem stadtbekannten Kunstkritiker öffentlich gedemütigt. Dann passiert an einer nächtlichen Kreuzung in Innsbruck ein Unfall. Ein Fußgänger wird getötet. Ist Bogner schuld daran? Schuldig fühlt sich eine junge Studentin, die nach dem Besuch einer Geburtstagsparty und ein paar Gläsern Alkohol ins Auto steigt. Ihre Mutter hingegen will durch Verwischen der Spuren auch die Schuldgefühle der Tochter verschwinden lassen. Platzgumer erzählt den Vorfall in knapper Sprache jeweils aus der Perspektive einer der handelnden Personen und verflicht die drei Erzählstränge erst spät miteinander, sodass lange im Ungewissen bleibt, was sich tatsächlich zugetragen hat und wer Schuld hat. Eine höchst spannende Charakterstudie zum Umgang mit der Frage nach persönlicher Schuld.
Hans Platzgumer, Bogners Abgang, Wien: Paul Zsolnay Verlag 2021, 144 S., € 20,60.
Auf 640 Seiten hat der im Mühlviertel lebende und an mehreren Universitäten lehrende Psychotherapeut Konrad Peter Grossmann einen Familienroman entfaltet, in dem das Thema Schuld und der ganz persönliche Umgang damit ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Zwei verfeindete Brüder – Sebastian und Chris Welser – treffen am Krankenbett des dritten Bruders zusammen. Nach einem Unfall, den der eine verschuldet und bei dem die Tochter des anderen eine bleibende Beeinträchtigung erlitten hat, sind sie auch nach Jahren nicht in der Lage, miteinander zu reden. Der Roman spielt in einer von der Eisenbahn geprägten oberösterreichischen Kleinstadt im Jahr 2018. Um Bauvorhaben der Eisenbahngesellschaft und eine damit verbundene Bürgerinitiative dreht sich ein zweiter Erzählstrang des Romans. Damit knüpft der Autor an sein erstes Buch an, das im 19. Jahrhundert in der Zeit des Eisenbahnbaus und der Industrialisierung in Russland und in Österreich spielt. Die Verbindung zu Russland spielt auch in diesem Roman eine Rolle und bringt eine Wende im Leben der Familie Welser. Eine interessante, die menschlichen Schwächen und Eigenheiten ausleuchtende Familiengeschichte von epischer Dimension, der eine gewisse Straffung in manchen Passagen nicht geschadet hätte. Trotzdem flüssig zu lesen. Hilfreich ist ein Personenregister am Beginn. Ein dritter Band soll folgen.
Konrad Peter Grossmann, Sommer, noch nicht Herbst, Sipbachzell: Verlag am Sipbach 2021, 640 S., € 35,20.
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