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Es geht dem Festival aber auch nicht um eine Abwertung des Begriffs, denn, wie Jean Améry so treffend anmerkte, „man muss Heimat haben, um sie nicht nötig zu haben“. In diesem Sinne bietet auch heuer das Festival vom 22. bis 26. August wieder ein abwechslungsreiches Programm mit 60 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen aus 16 verschiedenen Ländern, der Großteil davon sind österreichische Premieren.
Die diesjährige Ausgabe führt einige schon traditionelle Schwerpunkte fort. So ist dem im Frühjahr verstorbenen Oscarpreisträger Miloš Forman eine Retrospektive seiner noch vor dem Prager Frühling entstandenen Filme gewidmet. „Schwarzer Peter“ (1963), „Die Liebe einer Blondine“ (1965) und „Der Feuerwehrball“ (1967) waren essenzielle Beiträge zur tschechoslowakischen neuen Welle der 1960er-Jahre. Mit satirischen Mitteln spitzt Forman die gesellschaftspolitische Situation in der CˇSSR in dieser Epoche zu.
Ein weiteres Programm fokussiert den Beitrag, den die Szenenbildnerin Maria Gruber für den österreichischen Film geleistet hat. Das Festival möchte damit auf die wichtige Arbeit einzelner an der Filmproduktion beteiligter Personen aufmerksam machen, die oft nur im Schatten von Schauspielerinnen und Schauspielern oder Filmschaffenden stehen, den Stil eines Films aber maßgeblich beeinflussen. Gezeigt werden so unterschiedliche Filme wie „Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott“ (2010), „Slumming“ (2006) und „Thank You for Bombing“ (2015) von Barbara Eder, ein sträflich unterschätzter Film über die Problematik aktueller Kriegsberichterstattung.
Der seit 1994 bestehende Schwerpunkt zum italienischen Filmschaffen muss besonders hervorgehoben werden. Während im laufenden Kinobetrieb nur noch seichte Komödien oder (selten) Filme von arrivierten Regisseurinnen und Regisseuren präsentiert werden, konzentriert man sich in Freistadt auf Arbeiten abseits des Mainstreams. Heuer führt die filmische Reise durch unser Nachbarland an entlegene Stellen entlang des Po („Il risveglio del fiume segreto“), mit der einzigen Bergbauarbeiterin Italiens in die Tiefen einer sardischen Bergmine („Dal profondo“), mit so illustren Reisebegleitern wie Claudio Magris nach Slowenien („L´altrove più vicino“) und sogar in die Ukraine („Easy“), wohin der depressive und übergewichtige Easy im Film von Andrea Magnani den Sarg eines in Italien verunglückten ukrainischen Arbeiters überführen soll. Ein Film, der beweist, dass Komödien durchaus Tiefgang haben können.
Weitere Höhepunkte des Programms widmen sich dem mühevollen Alltag von Bäuerinnen und Bauern in Schweden in den 1970er-Jahren („Ravens“), auf einem Milchbauernhof in Frankreich („Petit paysan“) oder auf den Höfen im Ersten Weltkrieg, wo Frauen diese instand halten müssen („Les gardiennes“). Auf einen meisterhaften Dokumentarfilm soll hier besonders verwiesen werden. In „Did You Wonder Who Fired the Gun?“ macht sich der Filmemacher Travis Wilkerson auf die Spurensuche im Zusammenhang mit einem Mord, den sein Urgroßvater an einem Schwarzen begangen hat. Die lebensgefährliche Ermittlung führt ins Herz der Finsternis des US-amerikanischen Südens. Auch Genre-Liebhaber kommen auf ihre Kosten. „The Rider“ ist ein poetischer Western über einen von einem Unfall beeinträchtigten Rodeoreiter indianischer Abstammung.
Eröffnet wird das Festival mit zwei brisanten Filmen: In „Die bauliche Maßnahme“ erkundet Nikolaus Geyrhalter die Gegend um den Grenzpass Brenner, wo 2016 ein Grenzzaun gegen Flüchtlinge errichtet werden sollte. „Wackersdorf“ thematisiert den zivilen Widerstand gegen eine atomare Wiederaufbereitungsanlage in Bayern.
Programm: filmfestivalfreistadt.at
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