Wort zum Sonntag
Herr Bischof, Sie haben ein Jahr lang den Neuordnungsprozess der ksoe begleitet. Was wünschen Sie sich von der neuen ksoe?
Bischof Josef Marketz: Wir haben sie nicht als Vertreterin einer bestimmten Lesart von katholischer Soziallehre konzipiert, sondern als Kompetenzzentrum und Dialogplattform. Dazu gehört auf der wissenschaftlichen Ebene, dass die Positionen der Soziallehre nur als Ergebnis eines interdisziplinären Dialogs zwischen Theologie, Philosophie, Sozialwissenschaften, Ökologie und weiteren Bezugsdisziplinen erwachsen können. Auf der praktischen Ebene wird sie nicht allein hohe Gesinnungsethik vertreten, sondern ebenso die Notwendigkeit gesellschaftlicher Kompromisse berücksichtigen, die die Politik als Kunst des jeweils Möglichen zu sondieren hat.
Was ist für die neue ksoe wichtig, damit sie so viele Jahrzehnte erfolgreich bleibt wie es die alte ksoe war?
Marketz: Sie wird ihrer bewährten Methode treu bleiben, ganz im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils die „Zeichen der Zeit“ als die je aktuellen wesentlichen Fragen des menschlichen Zusammenlebens mithilfe des Dreischritts „Sehen – Urteilen – Handeln“ in den Blick zu nehmen. Diese einfache Methode leitet Christen dazu an, zusammen mit allen Menschen guten Willens für eine gerechte Gesellschaft und eine intakte Umwelt Sorge zu tragen. Gerade der einzelne Christ, der kraft Taufe und Firmung Mitverantwortung in der säkularen Gesellschaft trägt, sei es in der Politik, in der Wirtschaft, in Verbänden oder wo auch immer, kann dazu beitragen, dass die katholische Soziallehre erfolgreich bleibt.
Die Umstrukturierung wurde unter anderem deshalb notwendig, weil sich die Gesellschaft stark verändert hat. Was braucht die Gesellschaft heute am meisten von der ksoe?
Marketz: Wir leben in einer Zeit beschleunigter Wandlungsprozesse; wir erleben soziale, ökologische und kulturelle Umbrüche. Wir leben in einer enorm pluralisierten, säkularisierten Gesellschaft, in der die Stimme der Kirchen nur noch eine von vielen ist und dennoch gerade in der Verkündigung von Papst Franziskus weltweit Gehör findet.
Ein wichtiges Ziel der kirchlichen Sozialverkündigung bleibt, wie es Papst Johannes Paul II. in seiner Sozialenzyklika „Sollicitudo rei socialis“ betont hat und es von Franziskus konsequent weitergeführt wird, die komplexen gesellschaftlichen Wirklichkeiten darauf hin zu prüfen, „ob diese mit den Grundlinien der Lehre des Evangeliums über den Menschen und seine irdische und zugleich transzendente Berufung übereinstimmen oder nicht, um daraufhin dem Verhalten der Christen und aller Menschen guten Willens eine Orientierung zu geben.“ «
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