Jetzt im Nachhinein ist sie schnell vergangen, die Zeit: Beim Schulstart war Max noch im Rollstuhl, nun müssen wir schauen, dass wir ihm hinterher kommen. Konnte er zu Beginn der Schule nur wenige Fragen (dafür umso öfter) stellen, waren es zuletzt schon sehr komplexe Fragestellungen. Fragen zum Mitdenken, Fangfragen, um zu überprüfen, ob richtig geantwortet wurde. Max war in der Fischklasse. Zum Abschluss wurde ihm bescheinigt, er war ein besonders bunter Fisch, der sich gut entwickelt hat.
Während der letzten beiden Schuljahre schwebte der „Arbeitsbeginn“ wie ein Damoklesschwert über uns. Von allen Seiten hieß es, bald zu suchen beginnen, Anträge aktualisieren, Schnuppertermine ausmachen, kämpfen, lästig sein, Druck machen. Das erzeugt Stress. Und das bei einem Alltag, der ohnehin nicht langweilig ist. Denn zu den alltäglichen 1000 Handgriffen, stehen bei Kindern mit besonderen Bedürfnissen eben deswegen viele zusätzliche Termine an.
Und nun? Wir haben unsere Hausaufgaben erledigt, waren hartnäckig, aber vor allem hatten wir eine engagierte Bedarfskoordinatorin, eine Einrichtung, in der der ein Platz frei wurde und Zuständige, die Max aufnehmen wollten. Was für ein Glück! Max hat einen „Arbeitsplatz“, amtlich nennt sich das „fähigkeitsorientierte Aktivität“. Er freut sich darauf. Stolz erzählt Max allen, die wir treffen (und wir treffen sehr viele), dass er bald zu arbeiten beginnt.
Bis zum Arbeitsbeginn durfte er weiterhin die Schule besuchen. In der letzten Schulwoche war Max besonders aufgeregt und wir mussten für noch mehr Sicherheit und Struktur sorgen. Es wurde ordentlich Abschied gefeiert. Max bekam viele Geschenke, darunter ein wunderbares Buch mit Einträgen von allen Schülerinnen und Schülern und allen Lehrerinnen und dem einzig(artig)en Lehrer. Als Max damit nach Hause kam, waren wir gerührt. Ich konnte kaum lesen, weil Tränen meine Sicht verschleierten. Als Max dies sah, sagte er: „Ich bin auch so gerührt.“ Ich musste schmunzeln. Hat Max gelernt, die Mimik anderer zu interpretieren? Stolz trägt er sein Geschenke-Sackerl mit sich herum und er freute sich, als ihm sein Papa zeigte, dass er auf der Startseite der Schulhomepage war. Auch Autisten haben Emotionen.
Beim Lesen des geschenkten Buches kamen Erinnerungen hoch – die wenigen Tiefen, die vielen Höhen. Selbst ist man oft im Alltag verheddert, in den eigenen Abläufen, das Genervt-Sein, weil man nie Ruhe hat, weil man keinen Gedanken zu Ende denken kann, weil Max sich mit seinen dauernden Fragen ins Gehirn setzt. Da werden oft die guten Seiten übersehen. Und nun: Die vielen positiven Worte, der Humor, mit dem Max genommen wurde, die kreativen Lösungen der Lehrerinnen bei den immer wieder neu aufgetretenen zwanghaften Verhaltensweisen. All das rührt uns und macht uns dankbar. Dankbar, dass sich dadurch unser bunter Fisch trotz allem tatsächlich gut entwickeln konnte. Dankbar, dass wir die ersten 16 Jahre doch ganz gut geschafft haben.
Die Lehrerin meinte, Max sei in der letzten Woche zur Höchstform aufgelaufen. Er war brav und selbständig wie noch nie. Es scheint, dass selbst Max in seiner eigenen Welt spürte, dass etwas zu Ende geht. Dass er nun kein Schulkind mehr ist, sondern ein Jugendlicher, für den ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Am Freitag hieß es also nun: "It`s time to say goodbye“ und auf in größere Gewässer. Und unser alles-wissen-möchtender Max gibt uns trotz vieler offener Fragen die Sicherheit, dass er auch den Start ins Berufsleben gut schaffen wird. Danke dafür und alles Gute für deinen ersten „Job“, lieber großer Max.
Birgit und Michael Kubik
Gewidmet all jenen, die Ähnliches beim Übergang ihrer Kinder in einen neuen Lebensabschnitt erlebt haben!
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