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Gewalt kommt ständig in den Medien vor. Über Aggression wird auch am Stammtisch gesprochen, allerdings nur dann, wenn sie anderswo passiert. Über Gewalt, der man selber ausgesetzt ist oder die man im persönlichen Umfeld wahrnimmt, wird meist geschwiegen. „Es ist schade, dass Wut und aggressives Verhalten keinen Platz haben dürfen. In Wahrheit ist es doch eine Reaktion darauf, dass mit jemandem nicht achtsam umgegangen wird, und ein Zeichen, dass diese Person eine Veränderung wünscht“, erklärt Rupert Herzog. Für ihn ist Wut notwendig, um respektlose, vernachlässigende, gewalthaltige Beziehungen neu und anders zu gestalten: „Ich wünsche mir einen liebevollen Blick auf aggressive Gefühle.“ Wenn man allerdings darüber schweigt oder schweigen muss, ist eine Veränderung viel schwerer zu erreichen.
Wenn mit jemandem gut und wertschätzend umgegangen wird, wird sich bei ihm/ihr Aggression kaum in intrapsychischen Strukturen verfestigen. „Wer wütend ist, hat einen demütigenden Umgang erlebt und reagiert darauf. Aggression ist an sich kein Trieb, ursprünglich dient sie dem eigenen Schutz. Aus der Hirnforschung wissen wir, dass jene Region im Gehirn, die Aggressionen auslösen kann, auch stark für Furcht und Angst verantwortlich ist. Und dieses Angstzentrum, die Amygdala, empfängt auch Schmerz“, weiß der Konfliktmanager. Kommt es nach einem Wutausbruch zum erhofften Gespräch und zu einem besseren Miteinander, hat er seine Wirkung erfüllt. Oft ist dies allerdings nicht der Fall. Dann kann sich die Aggression mit der Zeit verfestigen und steigern.
Statistisch gesehen findet man Gewalt im Jugendalter häufiger. Herzog sieht eine wesentliche Begründung darin, dass sich die Impulskontrolle erst im Laufe des Erwachsenwerdens entwickelt. „Ich kann einem jungen Menschen schon sagen, dass er nicht vor Wut etwas zerstören darf. Es wird nur nicht immer fruchten. Kindern und Jugendlichen muss man die Chance und Zeit geben, mit Aggressionen umgehen zu lernen. Für Eltern ist das keine leicht Aufgabe“, sagt Herzog. Begriffe wie „Moral“ oder „Das tut man so“ wirken gar nicht. Er ist überzeugt davon, dass man nur mit klaren Regeln und Rahmenbedingungen zum Ziel kommt. Diese kann man gemeinsam erarbeiten und ausmachen. Das bedeutet aber auch, dass eine Nichteinhaltung Konsequenzen hat. „Um das durchzustehen, muss man ständig in Beziehung mit dem Kind bleiben. Es bedeutet für das Mädchen oder den Jungen eine Anstrengung, die Impulse zu kontrollieren. Wenn es gelingt, ist auch Wertschätzung und Anerkennung angesagt.“ Nicht selten hört der Berater von Klienten, dass der Dank für diese elterliche Konsequenz oft erst nach Jahren, aber eben doch geäußert wird.
Wer auch als Erwachsener damit zu kämpfen hat, seine Wutausbrüche zu kontrollieren, sollte unbedingt professionelle Hilfe aufsuchen. Besonders bei körperlicher Gewalt ist dies notwendig. Für leichtere Fälle, also wenn man schnell zornig wird oder in Rage gerät, meint Herzog, dass Meditation ein gutes Mittel zu Abhilfe ist. „Auch ein paar Minuten Auszeit und eine Runde um den Häuserblock gehen, um Abstand zu gewinnen, oder dreimal bewusst ausatmen sind probate und einfache Mittel, seine Impulsivität zu kontrollieren.“
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