REZEPT_
Der erste Tipp aus Internet und Büchern lautet: Am Abend sollen immer die gleichen Rituale stattfinden. „Ganz stimmt das nicht“, sagt Bettina Dutzler. Sie ist Psychologin und berät seit sieben Jahren Familien als Baby- und Kinderschlafberaterin sowie als Psychologin in der Mutterberatung. Selbstverständlich ist jedes Kind anders und „als Erstes ist wichtig, dass diese Routine keine To-do-Liste wird.“ Sie hat schon Eltern erlebt, die einen 20-Punkte-Plan erstellt haben.
Ein Ritual kann zum Beispiel auch so aussehen: „Du spielst noch fertig, dann gehen wir Zähne putzen und dann gehst du ins Bett.“ Dann kann man gern noch etwas vorlesen, sich mit einem kleinen Segen und Dank für den Tag in die Nacht verabschieden.
Am besten entstehen Rituale mit dem Kind. Das Wichtigste dabei sei, dass die Kinder erkennen, was als nächstes kommt. Manche Kinder brauchen dieses Zur-Ruhe-Kommen. „Wir nennen das ‚Sinkflug‘“, erklärt Dutzler.
Andere Kinder denken sich bei diesen Ritualen: Das interessiert mich nicht! Die brauchen eher eine Bewegungseinheit. „Ich muss das den Eltern oft erlauben, dass das Kind auch noch spielen darf im Bett“, sagt Dutzler. Manche Kinder mögen es, sich in den Polstern „einzuwuzeln“, eine Kitzelrunde zu starten oder eine Bewegungsmassage durchzuführen – Rücken kraulen, Füße massieren … Das sind oft Kinder, die sehr viel nachdenken, die tatsächlich Angst haben, etwas zu verpassen und den Kopf nicht ausschalten können. Die Eltern müssen dann vermitteln: „Ich weiß, du willst noch so viel wissen, aber dein Körper ist müde und muss schlafen.“ „Sie müssen die Aufmerksamkeit auf den Körper lenken“, sagt Bettina Dutzler. Das funktioniert oft mit einer Bewegungseinheit besser, als das Kind einfach hinzulegen.
Dass Einschlafen überhaupt ein so großes Thema ist, hat laut der Psychologin viel mit den eigenen Erwartungen zu tun. Erwachsene werden von selber ruhig. Die meisten Kinder können das nicht, Erwachsene erwarten das aber. Manche bekommen fast Angst vor dem Abend, und genau diese Furcht löst auch körperliche Reaktionen aus, erklärt Dutzler. „Wenn ich denke: O Gott, jetzt dauert das wieder zwei Stunden! Ich kann nicht mehr! – Das spüren die Kinder, und dann funktioniert es noch weniger.“
Sinnvoller wäre, durchzuatmen und es später nochmal zu probieren. Denn es gibt bei Kindern ein „Schlaffenster“: „Das ist zirka alle 50 Minuten für eine Viertelstunde. Wenn die Eltern dieses Fenster verpassen, müssen sie warten, bis das wieder aufmacht“, sagt die Psychologin. Man kann mit dem Kind im Zimmer bleiben, beim Fenster rausschauen, eine Geschichte vorlesen – möglichst in Ruhe.
Leider gebe es die Tendenz, Kinder schreien zu lassen. „Schreien lassen bewirkt beim Kind, dass es ums Überleben kämpft“, erklärt Bettina Dutzler. „Das Kind lernt: Ich weine, ich kann mir selbst nicht helfen, es kommt niemand, also muss ich aufhören zu weinen, weil ich sonst sterbe.“ Weinen verbraucht sehr viel Energie.
„Das Traurige ist, dass das wirklich funktioniert“, weist Dutzler hin, „aber aus dem falschen Grund: weil das Kind resigniert.“ Das könne schwere Traumata auslösen. „Man muss auch überlegen, was ich den Kindern beibringen möchte. Ich möchte, dass mein Kind weiß: Wenn du ein Problem hast, dann komm zu mir!“, gibt Dutzler zu denken. „Wieso reagiere ich dann nicht, wenn es weint?“ Die bessere Lösung wäre, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, bevor die Nerven nicht mehr reichen!
REZEPT_
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>