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„Die Pensionszeit ist eine sehr schöne Lebensphase“, weiß Poimer aus Erfahrung. Ohne Termine und fixe Arbeitszeiten den Tag zu genießen, das klingt auch durchaus verlockend. Jetzt ist endlich Zeit für Dinge, die man neben der Arbeit nicht tun konnte. Viele Jungpensionistinnen und -pensionisten treten gleich einmal eine Reise an oder gestalten den Garten neu – bisher war ja keine Zeit dafür. Und dann?
Wer das Glück hat, dem Alter entsprechend fit und gesund in Pension zu gehen, sollte sich rechtzeitig Gedanken machen: „Was kann ich noch tun? Was macht mir Freude? Welche Menschen sind mir wichtig?“ Schließlich fällt mit der Erwerbsarbeit auch ein Rahmen weg, der zwar Korsett, aber ebenso Stütze war. Nicht nur die Arbeitszeit oder Termine waren mit dem Job verbunden, auch soziale Kontakte waren es. „Vieles davon fällt dann weg. Dennoch braucht man auch in der Pension Strukturen, aber die muss man sich nun selber aufbauen. Wer nur in den Tag hineinlebt, vergeudet diese wertvolle Zeit.“ Mit einem Blick auf ein Maßband verweist Poimer darauf, dass man nun im letzten Lebensdrittel angelangt ist. Und sie rät dazu, sich Pläne zu machen. Auch etwas ganz Neues anzugehen. „Warum nicht eine Sprache oder ein Instrument lernen? Ganz ohne Druck, nur für sich selbst.“ Auch ehrenamtliche Betätigungen, und sei es nur für wenige Stunden, sind sinnstiftend und geben einem das Gefühl, gebraucht zu werden. Aufpassen heißt es allerdings, wenn man schwer Nein sagen kann. Nur weil man in Pension ist, hat man nicht gleich Zeit für alles und jeden. „Wer seine Zeit qualitätvoll verbringen möchte, muss auf sich schauen und sich hin und wieder abgrenzen.“
„Sich fit zu halten und seinem Körper zwischendurch was Gutes zu tun wird immer wichtiger. Aber ebenso sollte der Geist gefordert werden“, meint Gerlinde Poimer. Sätze wie „Dafür bin ich schon zu alt“ oder „Das kann ich nicht mehr“ können schnell dazu führen, dass das Selbstwertgefühl abnimmt und man sich schließlich gar nichts mehr zutraut. „Man darf auch in der Pension noch Visionen und Ziele haben. Natürlich sind es andere, als man sie in der Jugend hatte.“ Und schließlich hat man nun auch genug Zeit für die Seele und die Spiritualität.
Weniger und langsamer, dafür bewusster. Es ist keine Schande, dass man im Alter früher müde ist und manche Dinge langsamer erledigt. „Man hat ja schließlich auch mehr Zeit. Wenn ich heute einkaufen gehe, bin ich nicht nach einer Minute bei der Kasse. Ich schlendere durchs Geschäft, treffe vielleicht jemanden und plaudere ein paar Sätze“, erzählt Gerlinde Poimer. Kommunikation und soziale Kontakte, so meint sie, müsse man unbedingt aufrechterhalten und pflegen. Darin seien Frauen erfahrungsgemäß geübter. „Männer klagen in der Pension schon manchmal über Langeweile, und sie übernehmen etwa im Haushalt dann Aufgaben, was die Frauen in ihren gewohnten Rollen ziemlich irritiert. Da ist es Zeit, das Beziehungsmobile wieder neu zu ordnen.“
Besonders Frauen müssen in der Pension oft große materielle Einbußen hinnehmen. „Lange Kinderbetreuungszeiten und Teilzeitarbeit führen zu sehr niedrigen Pensionen. Das ist leider Fakt.“ Aber Gerlinde Poimer ermuntert dazu, auch mit weniger Geld im Alter noch Aktivitäten zu setzen. „Zum Glück sind die Eintrittspreise für Pensionisten oft deutlich niedriger oder der Eintritt ist gar gratis, zum Beispiel in manchen Museen oder Bädern. Rausgehen und sich mit Menschen treffen tut einfach gut.“
Vor dem Schritt in die Pension sollte man sich von seiner Arbeit verabschieden können. Eine geregelte Übergabe und eine entsprechende Würdigung – auch vom Arbeitgeber – helfen dabei. „Es dauert eine Weile, bis man sich selber entpflichtet. Aber nur wer seine beruflichen Bindungen löst, kann die Pension richtig genießen.“
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