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Eine der Möglichkeiten, um einen kreativen Zugang zum Umgang mit Trauer zu finden, kann die japanische Technik „Kintsugi“ sein. Hinter Kintsugi steckt eine jahrhundertealte Geschichte, sagt der Künstler und Kintsugi-Experte Richard Eigner.
Bei dem Handwerk geht es darum, zerbrochene keramische Objekte oder solche aus Glas oder Holz auf ästhetische Art und Weise zu reparieren. So bekommt das Objekt ein zweites Leben und einen besonderen Charakter, da die Bruchlinien am Schluss oft mit Gold verziert werden. Möglich ist aber auch Bronze oder Silver. Schnell gelernt ist die Technik allerdings nicht, sagt Eigner.
Jahre oder Jahrzehnte braucht es laut den Japaner:innen, um ein Handwerk wie Kintsugi zu meistern. Es braucht viele einzelne Schritte, um die zerbrochenen Teile wieder zusammenzufügen. Ein Großteil entfällt dabei auf Arbeiten wie Schleifen oder das Entfernen von Klebe- und Farbresten mit Messern und Skalpellen.
Bevor das Gold in seiner reinen Pulverform zum Einsatz kommt, werden die geschliffenen und gesäuberten Teile mit einem natürlichen Kleber zusammengefügt, der aus dem Urushibaum gewonnen wird. Die zusammengeklebten Teile müssen dann einige Wochen bei einer Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent trocknen. Diese Vorgänge werden mehrmals wiederholt, bis schließlich mit Lack und Goldpulver abgeschlossen werden kann.
Eigner empfiehlt einen Kurs unter professioneller Anleitung zu machen, will man das Handwerk ernsthaft erlernen. „Das Schöne daran ist, dass kaputte Lieblingsgegenstände nicht entsorgt, sondern wiederverwendet werden können und auch noch einen ästhetischen Mehrwert haben“, sagt der Künstler.
In Kintsugi sieht Eigner auch eine passende Symbolik in Bezug auf das Thema Tod und Trauer: „Wenn man einen Mensch verliert, ist da auch ein langer Prozess.“ Ein zerbrochenes Objekt, dass durch Kintsugi repariert wird, ist wieder ganz – aber man hat es in verändertem Zustand vor sich. Auch die Trauer transformiert sich in ein anderes Gefühl, Freude oder Dankbarkeit, die man für die Person empfindet, die man verloren hat.
Tanz sei auch eine Möglichkeit, mit Trauer umzugehen, sagt Theologin und Tanzpädagogin Anna Grabner. Nach dem Begräbnis sei für das Umfeld meist alles abgeschlossen, doch für die Familie und Angehörigen geht das Begreifen des Geschehens oft erst los. Trauer ist kein abgeschlossener Prozess, betont sie.
In die Tanzseminare von Grabner nehmen die Teilnehmer:innen oft einen „riesengroßen Rucksack“ mit, und manchen fällt es anfangs auch schwer, sich auf die Bewegungen einzulassen. Doch beim Trauertanz und beim Tanzen generell löst sich im besten Fall diese Erstarrung. Beim Tanzen hat man Zeit für sich, man spürt hinein in den Körper und schaut, was dieser jetzt braucht, wohin er sich bewegen will. Im besten Fall würden die Teilnehmer:innen am Ende „hinaustanzen und sind klarer in dem, wie sie weitermachen wollen“.
Es ist Grabner wichtig, den Trauernden zu sagen: „Was du erlebst, ist gut und richtig. Das Schlimmste, was man tun kann, ist die Gefühle nicht zuzulassen. Der Körper speichert dies ab und irgendwann kommt es heraus.“
Grabner arbeitet mit alten griechischen Trauertänzen und Ritualen. Der Grund: „Die Griechen bearbeiten ihr Leben mit Tänzen, ob Frühlings-, Hochzeits- oder eben Trauertänzen.“ Die Brauchtums- oder Ritualtänze unserer Kultur seien dagegen „eher Folklore als gelebte Lebensweisheit“. Ziel der Trauertänze sei das Weggehen und das Wegnehmen umzuwandeln in ein Den-Weg-Gehen, den Wegnehmen, um Neues entstehen zu lassen, sagt Grabner.
„Trauer bewältigen – durch Tanz mit Dr. Anna Grabner“, 1.–3. 8., Bildungshaus Greisinghof/Tragwein; Infos und Anmeldung: www.greisinghof.at
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