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Wer kennt es nicht – der morgendliche Blick in den Spiegel, die zweite Hose, und noch immer ist man nicht zufrieden, die Rundungen werden unvorteilhaft betont ...
„Wir sind sozialisiert, schlanke Körper als normal zu empfinden – Unbehagen und Unwohlsein im eigenen Körper sind die Folge, wenn man dem nicht entspricht. Frauen, aber auch Männer optimieren sich ständig selbst, anstatt das gängige Schönheitsideal zu hinterfragen oder gar zu bekämpfen“, weiß die Expertin.
Warum werden Menschen so sehr auf ihr Äußeres reduziert? War das immer schon so? „Im Prinzip ja“, sagt Martha Scholz-Resch, „das Trachten nach Schönheit ist keine Besonderheit des 21. Jahrhunderts, Schönheitsideale gab es schon immer und überall. Der Unterschied zu historischen Körperbildern ist die Tatsache, dass wir auf dem Weg zu einem globalen Schönheitsideal sind und sich dieses Idealbild stetig von der Realität entfernt.“ Heute wird vielfach, „dank“ der Globalisierung, einer weltweiten Kunstfigur nachgeeifert. Der Körper wird immer mehr zu einem Objekt, zur Visitenkarte, die es zu bearbeiten und zu optimieren gilt. Als beunruhigend dabei empfindet die Expertin die zum Teil gesundheitsgefährdende Beschäftigung mit dem eigenen Körper, die beinahe lebenslang erfolgt – von der Kindheit bis ins hohe Alter. Die Sensibilisierung der Mädchen und Frauen für dieses Thema ist daher von großer Bedeutung, da die Gesundheit auch mit dem Selbstwert und dem eigenen Umgang mit dem eigenen Körper einhergeht.
Täglich wird man mit unzähligen Bildern von digital manipulierten Körpern konfrontiert. Die Wirkung der künstlichen und ungesunden Darstellung von weiblichen „Schönheiten“ auf das Selbstwertgefühl der Mädchen und Frauen in jedem Alter ist dabei unbestritten. „Der Nachbearbeitung und Manipulation von Bildern sind keinerlei Grenzen gesetzt, alles kann wegretuschiert und ideal geformt werden. Bereits Babys und Kindern werden in der Werbebranche die Speckröllchen wegretuschiert, Sommersprossen werden reinkopiert, die Augen farblich optimiert oder die Beinchen begradigt. Aber auch Frauenbilder in Medien sind die wahr gewordene Perfektion, sie sind reine Kunstprodukte“, warnt Scholz-Resch. Allen ist bewusst, dass die Darstellung nicht real ist, und doch hat sie eine nicht zu unterschätzende Wirkung. „Die Mädchen und Frauen sehen diese Bilder falsch und suchen den Fehler bei sich selbst. Dass zwischen den hochgeladenen Bildern und dem Aussehen in der Realität oft Welten auseinanderklaffen, wird nicht thematisiert. In der Folge gibt es neben der ersehnten Bestätigung auch ein Anprangern, das bis hin zu Beschimpfung und Diskriminierung geht“ – ein wichtiger Grund für die Gesundheitsexpertin, mit Vorträgen und Workshops Aufklärung zu erwirken. Die Anonymität des Internets lässt diese Übergriffe ungefiltert zu, Fachleute sprechen bei diesem Phänomen von „Bodyshaming“.
„Die Auseinandersetzung mit Körperbildern und Schönheitsidealen ist ein überwiegend weibliches Phänomen, wenngleich der Druck auf Burschen und Männer im Steigen ist“, weiß Scholz-Resch. Das Heranwachsen vom Mädchen zur jungen Frau erfordert ein hohes Maß an Selbstsicherheit. Der sichtbare körperliche, hormonelle und physiologische Übergang ist spürbarer und prägnanter als bei Burschen. Auch die aktuelle World-Vision-Studie zeigt auf, dass sich vor allem Mädchen Gedanken über ihren Körper machen und sehr darunter leiden, wenn sie beschimpft werden, weil sie (vermeintlich) nicht dem Ideal entsprechen.
In Umbruchphasen wie der Pubertät oder den Wechseljahren sind Mädchen und Frauen besonders gefährdet, sich von fragwürdigen Schönheitsidealen beeinflussen und unter Druck setzen zu lassen. Mädchen suchen nach Vorbildern – vor allem was das Aussehen anbelangt. Sie vergleichen sich mit anderen, und es entsteht sehr schnell der Eindruck, für die Welt da draußen nicht hübsch genug zu sein. Und Schritt für Schritt wird der eigene Körper zum Problem. Viele beginnen, extrem Sport zu treiben, oder setzen sich unter dem Titel „Gesunde Ernährung“ ständig auf Diät. Vielleicht sind sie zudem Töchter von Müttern, die ebenso ständig ihren Körper bekritteln, die kritisch und angstbehaftet mit Essen umgehen. Diese Töchter haben somit von Beginn an gelernt, mit dem Essen aufzupassen, anstatt biologische Signale wie Hunger und Sattsein zu erkennen.
„Bei den vielen unrealistischen Eindrücken, die auf uns hereinstürmen, müssen wir lernen, uns selbst zu akzeptieren. Das ist leider genauso anstrengend wie die Dauerpredigt, dass wir uns so lieben sollen, wie wir sind“, weiß Scholz-Resch.
Martha Schulz-Resch gibt für die Leser/innen der KirchenZeitung konkrete Ratschläge, wie man es für sich selbst schaffen kann, den Selbstwert nicht von der Figur abhängig zu machen.
• Mädchen und Frauen sollten sich selbst gerne haben und akzeptieren, was nicht heißt, dass frau sich ständig schön fühlen muss.
• Altern ist das Natürlichste der Welt und lässt sich nicht aufhalten – auch nicht durch Schönheitschirurgie. Jeder Eingriff, ob operativ oder nicht invasiv (das sind Eingriffe, die nicht mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind), bedeutet, ein Stück seiner Individualität aufzugeben.
• Frauen sollten aufhören, sich zu vergleichen, jede ist auf ihre Art individuell und attraktiv.
• Frauen sollten liebevoll mit sich selbst umgehen – das heißt Körper und Seele regelmäßig und oft etwas Gutes tun.
• Frauen sind selbst ihre größten Kritikerinnen – Dabei hilft immer die Frage: „Würde ich das zu meiner besten Freundin sagen?“
• Man sollte sich im realen wie auch im virtuellen Leben mit Menschen umgeben die einem wohlgesinnt sind.
• Soziale Medien sind eine eigene Welt – der beste Schutz vor negativen Kommentaren ist, darin nicht vertreten zu sein oder sich ausschließlich mit Menschen zu befreunden, die einem wohlgesinnt sind.
• Man sollte den eigenen Körper akzeptieren, er wird sich immer verändern. Ich kann mich schön finden, muss es aber nicht!
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