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Gerichte und ihre Geschichten

Bewusst Leben

Ob einem eine Speise schmeckt oder nicht, das hat wenig mit ihrer Geschichte zu tun. Dies bleibt wohl eher eine Beilage der unterhaltsamen Art. Was aber auffällt: Unter den Namensgebern findet man fast ausschließlich Männer.

Ausgabe: 27/2020
30.06.2020
- Brigitta Hasch
Die Kardinalschnitte: Die gelbe Biskuitmasse und der weiße Eischnee symbolisieren die Farben des Vatikans. In manchen Rezepten scheint auch eine Ribiselmarmelade auf – mit ihrem Rot steht sie für die Kardinalswürde.
Die Kardinalschnitte: Die gelbe Biskuitmasse und der weiße Eischnee symbolisieren die Farben des Vatikans. In manchen Rezepten scheint auch eine Ribiselmarmelade auf – mit ihrem Rot steht sie für die Kardinalswürde.
© ©Lisa Payr - stock.adobe.com

Ist das Holstein-Schnitzel tatsächlich eine Spezialität aus dieser deutschen Region? Wer war wohl jene „Suzette“, nach der die süßen Crêpes benannt sind? Und warum heißt die Praline ausgerechnet Praline? Hinter vielen Gerichten stecken wahre und auch falsche Geschichten. Doch Vorsicht! Wer sich auf diese kulinarische Spurensuche begibt, könnte bald mit knurrendem Magen in der Küche stehen.

 

Keine Zeit zum Essen

Seinem Ruf nach war der deutsche Geheimrat Fritz von Holstein (1837–1909) ständig in Eile. Deshalb war man auch in seinem Berliner Stammlokal Borchardt (dieses Spitzenlokal gibt es nach wie vor) angewiesen, „Vorspeise und Schnitzel, schnell, schnell“ bereitzuhaben. Das ließ sich der Koch nicht zweimal sagen und richtete alles auf einem Teller an. Doch schon diese erste Geschichte ist zwar plausibel, aber erfunden. Das besagte Schnitzel ist „nur“ eine Spezialität der Region Holstein. Stimmen dürfte hingegen die Geschichte von einem zweiten Herren, der sich nur ungern lange beim Essen aufhielt. John Montagu, 4. Earl of Sandwich war zwar nicht in Eile, seine Aufmerksamkeit galt jedoch mehr dem Kartenspiel als dem Essen, weshalb auch er seine Mahlzeiten – inmitten von Brotscheiben – auf einem Teller serviert bekam. Ob ihn tatsächlich das Kartenspiel oder seine Arbeit am Schreibtisch vom „richtigen“ Essen abhielt, bleibt ein Geheimnis.

 

Viele historische Namensgeber

Feldmarschall Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington, der später bei Waterloo Napoleon besiegen sollte, wird als Pate für das in Teig eingeschlagene „Filet Wellington“ genannt. Schon zwei Jahre zuvor wurde ihm vor der Schlacht von Vitoria (1813) diese Speise serviert und sie soll von da an seine Leibspeise gewesen sein. Apropos Napoleon: Zum Ursprung des Gerichts „Huhn Marengo“ gibt es zwei Erzählungen, die beide mit Napoleon und der Schlacht von Marengo (1800) in Italien zusammenhängen. Nach erfolgreich geschlagener Schlacht gegen die Österreicher soll Napoleon in einem Gasthof eingekehrt sein, wo ihm die Wirtin ein Schmorgericht aus den gerade vorhandenen Zutaten (Huhn, Hühnerbrühe, Brot und Eier) zubereitet haben soll. Oder war es doch Napoleons Küchenchef, der die Speise erfunden hat? Geschmortes findet man auch beim Esterházy-Rostbraten (ung. Esterházy-rostélyos) auf dem Teller. Der Name des Gerichtes leitet sich von Nikolaus Esterházy, Fürst und Feldherr (1714 bis 1790) her. Glaubt man hingegen einer (deutschen) Rezeptquelle, wird schlicht die Beilagen-Zusammenstellung von Lauch, Sellerie und Karotten als „Esterházy“ bezeichnet. Ganz stimmen kann das wohl nicht, denn da würde die cremig-süße Esterházy-Torte wohl anders aussehen und schmecken. Diese wurde Ende des 19. Jahrhunderts von einem ungarischen Konditor zu Ehren von Paul III. Anton Esterházy de Galantha kreiert.

 

Zum Dessert

Mit dieser aufwändigen ungarischen Torten- bzw. Schnittenrezeptur ist die Patensuche endlich bei den Süßspeisen angelangt. Als Österreicher/in kommt man hier um die Sachertorte nicht herum. „Dass er mir aber keine Schand’ macht, heut‘ Abend!“, soll Fürst Metternich 1832 in der Küche gesagt haben. Diesen Befehl nahm sich der erst 16-jährige Lehrling Franz Sacher so zu Herzen, dass er den hochrangigen Gästen die Grundform der Sachertorte servierte. Zu ihrem Ruhm gelangte diese besondere Schokoladentorte allerdings erst viel später, um das Originalrezept gab es sogar einen Rechtsstreit zwischen dem Hotel Sacher und der Konditorei Demel. Die Herkunft der Bezeichnung „Praline“ kommt – wenig verwunderlich – aus Frankreich. Es war bereits im 17. Jahrhundert, als der Koch des Comte de Plessis-Praslin seine Schokoladenerzeugnisse nach seinem Herren benannte. Auch die „Crêpe Suzette“, im Grunde eine hauchdünne, flambierte Palatschinke, kommt aus Frankreich und soll eigentlich nur die Folge der Tollpatschigkeit eines jungen Kochs gewesen sein. Glaubt man der Anekdote, war der spätere König Edward VII. zugegen, als das Malheur im legendären Café de Paris in Monte Carlo passierte. Wer Suzette war, darüber kursieren viele Geschichten. Einen französischen Namensgeber hat schließlich auch der in Rum getränkte Kuchen namens „Savarin“, der zu Ehren des französischen Richters, Schriftstellers, Gourmets und Gastronomiekritikers Jean Anthelme Brillat-Savarin seinen Namen erhielt. Mit der Kardinalschnitte endet die Spurensuche wieder in Österreich. Sie ist eine Kreation der Traditions-Konditorei Heiner (früher K.u.K. Hofzuckerbäckerei) und wurde anlässlich des Katholikentages 1933 geschaffen.

Das Filet Wellington ist beileibe kein Alltagsgericht.
Das Filet Wellington ist beileibe kein Alltagsgericht.
© ©HLPhoto - stock.adobe.com
Im Huhn Marengo tummeln sich je nach Rezeptur neben dem Huhn auch Garnelen oder Flusskrebse, Pilze, Tomaten und Eier.
Im Huhn Marengo tummeln sich je nach Rezeptur neben dem Huhn auch Garnelen oder Flusskrebse, Pilze, Tomaten und Eier.
© Copyright Reed A. George, 2010
Bei Pralinen ist die Vielfalt seit ihrer Erfindung ständig größer geworden.
Bei Pralinen ist die Vielfalt seit ihrer Erfindung ständig größer geworden.
© Jiri Hera–adobestock.com
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